Bain-Studie: Mobile-Banking verdrängt Online-Banking
Mobile-Banking entwickelt sich weltweit zum entscheidenden Kanal für Bankgeschäfte und trägt wesentlich zu einer hohen Kundenloyalität bei. Über keinen anderen Kanal äußern sich Privatkunden nach Interaktionen so positiv wie über eine App oder eine mobile Webseite. Das ergab die weltweite Befragung von rund 115.000 Privatkunden in 17 Ländern, darunter 9.800 in Deutschland, die Bain im Rahmen der Studie “Loyalität im Privatkundengeschäft: Banken machen mobil” durchgeführt hat.
In Deutschland ist der Anteil mobiler Interaktionen zwischen Kunde und Bank zwischen 2012 und 2015 von nahezu null auf rund 20 Prozent gestiegen. Im Gegenzug ging vor allem der Anteil des Online-Bankings zurück (Abbildung 1). Insbesondere die junge Generation nutzt ihr Smartphone zunehmend für Bankgeschäfte. In Deutschland setzen inzwischen mehr als 60 Prozent der 18- bis 24-Jährigen auf Mobile-Banking. Doch auch bei den Älteren erfreut es sich immer größerer Beliebtheit, Bankgeschäfte mobil zu tätigen.Mobile-Banking ist im Alltag angekommen. Während Deutsche es vor allem für Routinetransaktionen nutzen, funktioniert es in Vorreiternationen wie den Niederlanden bereits als Vertriebskanal.”
Bain-Partner und Studienautor Dr. Markus Bergmann
Dort kaufen Kunden selbst komplexe Produkte wie einen Kredit per App oder mobiler Webseite.
Welchen Stellenwert das Mobiltelefon im Alltag der Bankkunden mittlerweile hat, unterstreicht ein weiteres Ergebnis der Studie: Danach könnten sich in vielen Ländern vor allem Jüngere eher mit dem Verlust ihres Portemonnaies als mit dem ihres Smartphones abfinden. “Noch aber sind Bankprodukte wie EC- oder Kreditkarte analog im Geldbeutel und nicht in digitaler Form auf dem Mobiltelefon”, erklärt Bergmann. “Auf Dauer drohen die Banken so ins Abseits zu geraten.”
Gut 40 Prozent der Bankkunden in Deutschland sind Omnikanal-Nutzer
Ein überzeugender mobiler Auftritt allein bewegt die Kunden jedoch nicht dazu, mehr Bankprodukte zu kaufen oder ihre Bank weiterzuempfehlen. Im Gegenteil: Rein digital agierende Kontoinhaber stehen ihrer Bank sogar eher kritisch gegenüber. Eine mit dem Net Promoter Score (NPS) messbar hohe Loyalität weisen der Bain-Studie zufolge vor allem Omnikanal-Nutzer aus. In Deutschland erledigen bereits gut 40 Prozent der Kunden ihre Bankgeschäfte sowohl in den Filialen und Callcentern als auch über digitale Kanäle. Ihre Zufriedenheit zahlt sich aus. Über alle Nutzerprofile und Altersgruppen hinweg hängen hohe NPS-Werte eng mit der Zahl der erworbenen Produkte und der Kundenbindung zusammen.
Bei den NPS-Werten in Deutschland hat die ING-DiBa die Nase vorn, auf den Plätzen zwei und drei liegen mit der DKB und mit comdirect zwei weitere Direktbanken vor dem ersten Filialisten, der Sparda-Bank (Abbildung 2). Die Lücke beim NPS zwischen Direkt- und Filialbanken beginnt sich allerdings in vielen Ländern zu schließen. Traditionellen Kreditinstituten gelingt es mit Omnikanal-Konzepten zunehmend, ihre Kunden in den Filialen, am Telefon, online und mobil gleichermaßen zu begeistern.
Für einen überzeugenden Auftritt in allen Kanälen und für zügige Fortschritte auf dem Weg hin zum Omnikanal sind vier Stellhebel entscheidend:
1. Besserer Kundenservice. Je intuitiver und einfacher Online- und Mobile-Banking funktionieren, desto eher kommt es zu der gewünschten Verlagerung von Routinetransaktionen in digitale Kanäle. Insbesondere die Filialen erhalten so mehr Raum, um im persönlichen Gespräch und bei komplexen Produkten zu überzeugen. 2. Digitalisierung von Vertrieb und Beratung. Das Ziel ist eine durchgängig digitalisierte Kundenreise im Vertriebs- und Beratungsprozess. Dazu müssen neue Technologien wie die Videoauthentifizierung eingesetzt und interne Prozesse umgestaltet werden. 3. Schärfere Positionierung der Filialen. In einem Hub-and-Spoke-Netz haben Filialen fünf Funktionen: Branding, Beratung bei komplexen Produkten, Mobilisierung für die digitale Welt, persönliche Unterstützung vor Ort und Pflege der Kundenbeziehung. 4. Innovative Methoden für die Transformation. Mit dem sogenannten Hot-House-Ansatz können Banken in ausgewählten Filialen innovative Konzepte entwickeln und deren Anwendbarkeit direkt testen. Für den anstehenden Transformationsprozess sind zudem der Einsatz agiler Methoden und ein breit angelegtes, konsequent gemanagtes Change-Management-Programm erforderlich.Kostenreduzierung um bis zu 50 Prozent möglich
Werden die Hebel richtig angesetzt, kann der Anteil mobiler Kanäle an den Produktabschlüssen auf 30 bis 50 Prozent gesteigert werden. Die Kosten für Filialen und Callcenter wiederum lassen sich um 30 bis 50 Prozent senken. Auch wenn die Zahl der Filialen deutlich zurückgehen wird, bleiben sie ein integraler Bestandteil eines jeden Omnikanal-Konzepts. Sie tragen zur Kundenloyalität bei und erlauben es den Banken, sich sichtbar vom Wettbewerb abzuheben.
Mit Mobile-Banking allein können Kreditinstitute im digitalen Zeitalter nicht gewinnen, mit intelligenten Omnikanal-Konzepten dagegen schon.”
Dr. Dirk Vater, Bain-Partner & Co-Autor der Studie und Leiter der Praxisgruppe Banken
Bain & Company ermittelt weltweit einmal jährlich die Loyalität privater Bankkunden, ihre Produktnutzung und die hierfür verwendeten Kanäle. Die Befragung erstreckt sich auf alle wichtigen Institutsgruppen. Privat- und Direktbanken zählen ebenso dazu wie Genossenschaften und Sparkassen. Aussagen zu Einzelinstituten werden nur getroffen, wenn mehr als 200 Antworten vorliegen. Für die aktuelle Studie wurden weltweit rund 115.000 Kontoinhaber in 17 Ländern befragt, darunter 9.800 in Deutschland.
Die Bain-Studie “Loyalität im Privatkundengeschäft: Banken machen mobil” kann hier kostenfrei und ohne Adressangabe heruntergeladen werden.aj
Sie finden diesen Artikel im Internet auf der Website:
https://itfm.link/35350
Schreiben Sie einen Kommentar