STUDIEN & UMFRAGEN23. August 2022

BaFin will Banken beim Meldewesen entlasten

Bis zu 75 Prozent Entlastung ist für die Banken-IT-möglich, so die BaFin-Studie. <Q>Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht / www.bafin.de
Bis zu 75 Prozent Entlastung ist für die Banken-IT-möglich, so die BaFin-Studie. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht / www.bafin.de

Die IT-Abteilungen von Finanzunternehmen stehen unter riesigem Druck: Europäische und nationale Regelwerke müssen abgebildet, Berichte nach entsprechenden Vorgaben geliefert und Ad-hoc-Anfragen ermöglicht werden. Und die Anforderungen wachsen ständig. Doch selbst die Aufseher stoßen inzwischen bei der auflaufenden Datenflut an ihre Grenzen. Die BaFin steht deshalb im Dialog mit der Branche, um Verbesserungen zu erreichen.

Der Aufwand im bankaufsichtlichen Meldewesen hat sich allein in den vergangenen beiden Jahrzehnten vervielfacht: Basel II und III, AnaCredit und IFRS9 sind hier zu nennen, demnächst kommen CCR3 und Basel IV hinzu sowie die EU-Taxonomie, für 2027 steht das Integrated Reporting Framework (IReF Statistik) an. Der aktuell nötige Aufwand lässt sich sogar beziffern: 400.000 Regeln und Datenelemente für das Meldewesen müssen die Institute anwenden haben und in ihren IT-Lösungen abbilden.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gesteht ein, dass es so nicht weitergehen kann. Für die Institute sei das bisherige Vorgehen ineffizient, wenig digital und erfordere lange Umsetzungszyklen. Auch die Aufsicht leide unter der Komplexität und müsse sich bemühen, ihre Analyse- und Reaktionsfähigkeit zu steigern. Sie hat deshalb eine Machbarkeitsstudie für die Neuausrichtung des bankaufsichtlichen Meldewesens durchgeführt.

Ziele der Neuregelung

Sowohl Institute als auch die Finanzaufsicht sollen durch eine Reform des Meldewesens von unnötigem Aufwand entlastet werden. Zugleich ist die BaFin bemüht, ihre Analysefähigkeit zu verbessern und Informationslücken zu schließen. Und auch die Interoperabilität mit EU-Entwicklungen und dem europäischen Rechtsrahmen hat die Studie im Blick.

Im Rahmen der Studie wurde so ein Zielbild entwickelt und anhand eines Prototypen validiert. Die Basis bildet ein mixed-granulares Datenmodell, das künftig für alle Meldeanforderungen einheitlich gelten könnte. Alle granular abbildbaren Daten wären im Datenmodell nur einmal enthalten. Ergänzt wird es durch die Abbildung verschiedener Aggregatsformen. Einen weiteren Baustein für das „digitale Fundament“ würde ein auf dem Modell aufbauendes maschinenlesbares Regelwerk für Datenqualitätsprüfungen und Datenpunktaggregationen liefern.

Entlastung in der IT

Das „Integrierte Berichtswörterbuch der Banken“ (Banks Integrated Reporting Dictionary – BIRD) der Europäischen Zentralbank (EZB) kommt in seiner Neuauflage vom November 2021 der skizzierten Zielsetzung des Datenmodells sehr nahe, ebenso den Anforderungen an Governance und Struktur. BIRD zeigte sich auch als ausbaufähig, so dass es um granulare und nicht-summenfähige aufsichtsrechtliche Datenanforderungen erweitert werden könnte. Im Rahmen der Studie wurde dieses erweiterte („eXtended“) Datenmodell als BIRD-X bezeichnet.

Neben dem Datenmodell wurde die Frage nach dem Meldeprozess untersucht. Hier boten sich zwei relevante Varianten: „Template-basierte Meldungserstellung as a Service“ (Fall A) oder „Wegfall von Templates“ (Fall B). Nutzt man weiterhin Templates, könnte die Transformation ohne Änderung des EU-Rechtsrahmens erfolgen. Dann würden aber wesentliche Potenziale zur Entlastung der Institute nicht genutzt. Im Fall B muss der europäische Gesetzgeber tätig werden. Dann jedoch sind nach den Erkenntnissen der Machbarkeitsstudie enorme Entlastungen möglich.

Im Rahmen der BaFin-Studie wurde ein Zielbild entwickelt, das den Aufwand im Meldewesen deutlich reduzieren und zugleich die Aufsicht effektiver machen könnte. <Q>Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht / www.bafin.de
Im Rahmen der BaFin-Studie wurde ein Zielbild entwickelt, das den Aufwand im Meldewesen deutlich reduzieren und zugleich die Aufsicht effektiver machen könnte. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht / www.bafin.de

 

Aus Sicht der an der Machbarkeitsstudie beteiligten Expertinnen und Experten könnten so zwischen 75 und 90 Prozent aller Datenaggregate im derzeitigen bankaufsichtlichen und statistischen Meldewesen zentral erstellt werden. Zusätzlich könnte die Aufsicht über diesen Weg beliebig viele zusätzliche Datenaggregate ohne Einbindung der Institute realisieren – mit ganz neuen Analysemöglichkeiten für sie selbst. Institute könnten diese zentral ermittelten Datenaggregate dann „abonnieren“, statt sie wie bisher x-fach selbst zu implementieren.

EU-Perspektive entscheidend

Auch die Finanzaufsichtsbehörden der Europäischen Union arbeiten bereits daran, das Meldewesen auf EU-Ebene zu entschlacken. Zahlreiche unterschiedliche Anforderungen der verschiedenen Aufsichtsbehörden sollen enger koordiniert werden, und auch hier ist die Schaffung eines konsistenten Datenmodells Teil der Debatte. Darüber hinaus müssen die Interessen der nationalen Aufsichtsbehörden integriert werden können, ohne dass die Anforderungen an die Unternehmens-IT wieder übermäßig wachsen. Dementsprechend berücksichtigte die Machbarkeitsstudie der BaFin ein entsprechendes Projekt der Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) sowie Frameworks wie IReF und BIRD.

Laut Raimund Röseler, Exekutivdirektor der BaFin, würde diese Transformation etliche Jahre dauern und branchenweit einen dreistelligen Millionenbetrag verschlingen. Dennoch würden sich die Investitionen rechnen. Bei den Banken fielen dann viele manuelle Arbeiten weg, so Röseler im Interview mit dem Handelsblatt. Die Aufsicht könnte dann theoretisch Stresstests alleine durchrechnen, ohne dass die Banken in den aufwändigen Prozess mit eingebunden werden müssten.

Der BaFin-Exekutivdirektor kündigte an, die erarbeiteten Ergebnisse in den europäischen Prozess integrieren zu wollen. Röseler sieht die für 2024 bis 2027 avisierte Umsetzung des IReF als mögliche erste Ausbaustufe für das im Projekt entwickelte Modell an. Entscheidend sei, dass sich die europäischen Initiativen auf ein gemeinsames Zielbild und ein entsprechendes Datenmodell einigen. Auch müsste der gesetzliche Rahmen angepasst werden. Für dieses Projekt werde man nun werben, um rechtzeitig zu Ergebnissen zu kommen.

<Q>Bernd Roselieb / BaFin
Bernd Roselieb / BaFin

Bis Ende 2023 ergibt sich somit das ideale Zeitfenster, das Meldewesen auf einem zukunftsfähigen digitalen Fundament neu auszurichten. Wir müssen diese Zeitspanne nutzen – in unserem Interesse und im Interesse der Institute.“

Raimund Röseler, Exekutivdirektor der BaFin

Im Kontakt mit der Branche

Die Studie wurde gemeinsam mit der Deutschen Bundesbank, Kreditinstituten, Rechenzentren und Verbänden erstellt. Eingebunden waren Commerzbank AG, N26, NATIONAL-BANK AG, Stadt- und Kreissparkasse Leipzig, Volksbank Mittelhessen eG, Atruvia, Finanz Informatik GmbH & Co. KG, S Rating und Risikosysteme GmbH, Bundesverband deutscher Banken, Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie Deutscher Sparkassen- und Giroverband. Unterstützt wurde die BaFin zudem vom Beratungsunternehmen Accenture.

Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie stehen bei der BaFin in einer Kurzversion hier zum kostenlosen Download bereit. Auch ein Info-Video stellen die Aufseher bereit.

Darüber hinaus laden die Aufseher Branchenvertreter zu einer virtuellen Informationsveranstaltung ein. Am Montag, 12. September 2022, von 12.30 Uhr bis 13.30 Uhr, geben der Exekutivdirektor der Bankenaufsicht der BaFin, Raimund Röseler, und Karlheinz Walch, Zentralbereichsleiter Banken und Finanzaufsicht der Deutschen Bundesbank, einen Einblick über Möglichkeiten und Herausforderungen zur Umsetzung und beantworten Fragen. hj

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