Apple Vision Pro – Test und Einschätzung für das Banking der Zukunft
Apple hat mit der Vision Pro eine neue Ära in der Welt der erweiterten Realität eingeläutet. Doch was macht das Gerät einzigartig, und wie positioniert es sich in der aktuellen Marktsituation? Und was könnte das fürs Banking bedeuten? Der Erfahrungsbericht eines erfahrenen Banking-Insiders.
von Dirk Emminger
Erstmals vorgestellt wurde die Apple Vision Pro am 5. Juni 2023. Die Erstveröffentlichung in den USA erfolgte im Februar 2024, und seit knapp zwei Wochen ist sie nun, Mitte Juli, auch in Deutschland erhältlich (Website). Als die Entscheidung für das Projekt bei Apple gefallen ist, war das Metaverse noch ein großer Hype. Was macht Apple jetzt anders, was ist das Besondere, und welche Anwendungen gibt es aktuell aus unserer Branche?4.000 Euro zum Einstieg … und zur Sicherheit Hyperpersonalisierung im Apple-Store
Leider traten hier bereits die ersten Probleme auf. Denn so einfach wie gedacht, ist es in der Praxis nicht. Die Apple Vision Pro muss individuell angepasst werden, was grundsätzlich über eine interaktive Vermessungs-App zu Hause möglich ist. Bei einer Investition dieser Größenordnung besuchte ich jedoch sicherheitshalber den Apple Store.
Eine kleine Bemerkung am Rande (weil sich so oft über unsere Bankenbranche beschwert wird): Selbst Apple scheint Omnichannel nicht im Griff zu haben. Im Store angekommen, musste ich die Messung erneut durchführen, da die online generierten Codes in der Filiale nicht verwendet werden können, weil es sich um zwei unterschiedliche Shop-Systeme handelt. Vermessen wird die Gesichts- und Kopfform, um eine Lichtdichtung (etwas über 20 Varianten) und einen entsprechenden Riemen (4 Größen) auszuwählen. Brillenträger müssen zusätzlich ihre Sehstärke „mitbringen“, und passende Einsätze von der Firma Zeiss können installiert werden.
Mal eben weitergeben ist damit schwierig
Neben der Hardware-Lichtdichtung, den Bändern und den Linsen ist die aktuelle Vision Pro auch softwareseitig nicht vollständig Multi-User-fähig. Apple bestätigte im Laden, dass das Konzept des Teilens einer Brille aktuell noch nicht vorgesehen ist. Möchte man die Vision Pro weitergeben, muss jedes Mal eine Neukalibrierung und ein Anlernen an die jeweilige Person erfolgen. Dieser Gästemodus ist zwar nach ein paar Mal Probieren recht einfach einzustellen, verhindert oder erschwert aber in der Praxis viele Einsatzbereiche.
Denn einen Gästemodus zu starten, kann nur der Eigentümer der Brille. Setzt jemand anderes diese auf, erfolgt eine Identifizierung über die neue Optic ID (Abfrage über die Iris) und einen Code.
Codesharing funktioniert zwar, jedoch erfolgt dann keine Kalibrierung. Dies bedeutet, dass die Vision Pro in einem geteilten Nutzungsszenario fast gar nicht funktioniert bzw. ihre volle Leistungsfähigkeit nicht entfalten kann. Es gibt einen Family Account und auch die Möglichkeit, sich komplett neu anzumelden – aber schnell und bequem wie sonst bei Apple ist das nicht möglich.Für Unternehmen oder Einrichtungen, in denen mehrere Personen das Gerät nutzen möchten, stellt dies eine erhebliche Einschränkung dar, und auch für uns wird das wohl dann doch auf entweder ein Entwickler-Kit oder die Simulation im SDK hinauslaufen.”
Atemberaubende Retail-Funktionen
Die Qualität des Displays und wie sich die Inhalte im Raum platzieren lassen, ist wirklich beeindruckend. Das speziell entwickelte Micro-OLED-Displaysystem liefert mit 23 Millionen Pixeln eine unglaubliche Auflösung und lebendige Farben. Eine einzigartige Optik mit je einer Linse pro Auge gibt dem Benutzer das Gefühl, dass das Display überall ist, wo er hinsieht. Die einstellbare Transparenz des Displays gibt einem dennoch die Möglichkeit, im Raum zu sein.Immersive Hintergründe wie vollständige Landschaften oder Farben sollte sich jeder einmal im Apple Store in einer Demo anschauen. Das Besondere ist, dass der Grad der Überblendung von AR zu VR stufenlos über die Apple Krone erfolgen kann. Filme, Serien, Konzerte und Sportveranstaltungen erhalten eine neue Qualität. Die NBA und Disney haben dies bereits erkannt und bieten viele Inhalte für die neue Brille an. Interaktive Spiele und Dokumentationen führen zu Dinosauriern, Haien und Nashörnern im eigenen Wohnzimmer und zwar zum Greifen nah.
Dass immersive Konzerte oder Sportveranstaltungen die Zukunft werden, kann ich mir durchaus vorstellen. Wie schnell sich diese Entwicklung durchsetzen wird, bleibt jedoch abzuwarten. Dass es bisher keine High-End-Spiele wie bei der Meta Quest oder anderen VR-Brillen aus dem Gaming-Bereich gibt, stört im ersten Augenblick nicht, langfristig könnte das aber schon ein Kaufkriterium sein. Die Gucci-App für die Apple Vision Pro bringt Modefans eine völlig neue Erfahrung. Die App bietet Zugang zu einem speziellen, erweiterten Dokumentarfilm „Who Is Sabato De Sarno? A Gucci Story“ und ermöglicht es den Nutzern, ihre eigenen virtuellen Räume zu gestalten und mit 3D-Produkten zu interagieren. Dabei wird weniger der Fokus auf Shopping gelegt, sondern vielmehr auf eine immersive Erzählweise und interaktive Erlebnisse, die die Benutzer vollständig in die Welt von Gucci eintauchen lassen.
Das Vergütungsmodell für diese neuen Inhalte wird spannend werden. Bezahlen funktioniert auch bei Apples Vision Pro über die klassischen Apple-Verfahren. Eine 16-stellige Kreditkartennummer oder eine IBAN wird man hier aber nicht manuell eingeben wollen, daher wird es wohl bei den Wallet-Lösungen bleiben.”
Business-Funktionen – Sinn oder Unsinn?
Kann man mit der Vision Pro aktuell sinnvoll arbeiten? Naja… eine der wohl spannendsten „Business-Anwendungen“ ist die Möglichkeit, auf Geschäftsreisen im Flieger oder in der Bahn Inhalte auf riesigen virtuellen Bildschirmen anzusehen und die Umgebung auszublenden. Die Baugröße, die Akkulaufzeit (ca. 2 Stunden) und die Blicke von Mitreisenden hält mich davon aktuell noch ab. Das 219,- Euro teure Reise-Case sollte man dazu erwerben, weil die Brille an sich dann doch recht groß ist.
Was allerdings richtig gut funktioniert, ist die Nutzung als Display. Schon mit dem aktuellen VisionOS können Apps frei im Raum platziert werden, wodurch ein nahezu unendlicher Arbeitsbereich entsteht. In Kombination mit Magic Keyboard und Magic Trackpad kann der Nutzer seinen Mac kabellos in die Vision Pro einbinden und ein riesiges, privates 4K-Display nutzen, was besonders für datenintensive Aufgaben und Multitasking von Vorteil sein kann.
Microsoft mit Teams und Zoom haben bereits ihre Konferenzanwendungen für die Vision Pro angepasst. Ob das in der Praxis gut funktioniert, wage ich aktuell noch zu bezweifeln, hier muss ich aber auch mal jemanden zweiten mit einem Vision OS einmal in einem Meeting haben. In den Metaverse-Diskussionen gibt es schon sehr unterschiedliche Meinungen aus allen Lagern.
Spezielle Unternehmensapps mit Augmented-Reality-Ansätzen oder Inhalten kann ich mir sehr gut vorstellen. Aktuell sieht es im App Store aber noch recht leer aus, und so kann ich diese Funktionalitäten nur in den Retail-Apps oder Spielen nutzen. Die Visualisierung von 3D-Modellen ist eindrucksvoll, und es gibt auch schon eine entsprechende App mit einem Formel-1-Modell. Anwendungen von den großen 3D-CAD-Anbietern wie Autodesk vermisse ich aber aktuell noch.
Brauchen wir nun eine Banking-App und finden Banken damit Kunden?
First-Mover könen Banken nicht mehr werden: NatWest hat seine Banking-App auf der Apple Vision Pro vorige Woche verfügbar gemacht. Kunden können ihre Bankgeschäfte in einer immersiven, räumlichen Umgebung erledigen. Die App soll es Nutzern ermöglichen, Kontostände zu überprüfen, Überweisungen zu tätigen und Lastschriften zu verwalten.
Leider konnten wir die NatWest-App nicht testen, da sie zwar im Deutschen App Store verfügbar ist, aber wie immer keine Demokonten-Version vorhanden ist. Der Schritt von NatWest als First Mover ist damit aber gemacht, und weitere Banken werden sicherlich folgen. Für mich persönlich ist dies ein weiterer Kanal, den auch Banken erschließen sollten. Besonders im Wealth Management und Portfoliomanagement könnten solche Devices zur Visualisierung und Beratung sehr gut funktionieren. Ob sich Banken dabei ausschließlich auf die Vision Pro konzentrieren sollten, ist fraglich. Fraglich ist außerdem: Wird ein anderer Hardware-Hersteller ein ähnliches Gerät entwickeln, wenn die Verkaufszahlen der Apple Vision Pro gering bleiben? Und wird Apple in ein paar Monaten ein weiteres günstiges Gerät nachschieben? Wird es ein Flop? Es gibt hier noch viele Fragen.Das Erleben virtueller Welten wird durch die Hardware von Apple erstmals massentauglich und führt dazu, dass sich technikaffine Menschen und die besten Entwickler mit dem Thema beschäftigen. Langfristig kann dies für Banken eine Möglichkeit sein, Banking erlebbar zu machen, sei es z.B. durch virtuelle persönliche Tresorräume, die alle Vermögenswerte in einer virtuellen Umgebung abbilden.”
Maximilian Salomon, Consultant Horváth
Fazit und die aktuelle Nutzung
Nach den ersten Wow-Momenten und unzähligen Demos im Freundes- und Bekanntenkreis ist für mich eigentlich klar, dass …
… die Stärken der Apple Vision Pro im Bereich des Video- und Content-Abspielens liegen und somit klar im Entertainment.”
Die Verwendung als Display-Ersatz funktioniert ebenfalls gut, ist aber aufgrund des Gewichts und des Tragekomforts noch anstrengend.
Die Kommentare der Kollegen, ob ich meinen Schnorchel vergessen habe oder Ski Aggu bin, zeigen auch, dass wir als Gesellschaft noch etwas Zeit für VR/AR-Devices braucht. Den Auftritt im Flieger habe ich mir gespart – würde das aber für einen langen Flug versuchen wollen.
Auch bleibt abzuwarten, wie sich die Business-Funktionen entwickeln und wer die wirkliche Zielgruppe der Vision Pro am Ende des Tages ist. Aufgrund des hohen Preises und der bisher abgesetzten Stückzahlen besteht aber auch die Chance eines Flops. Bleibt zu hoffen, dass Apple als Leader den langen Atem hat, den es braucht, um die richtigen Entwicklungen und Investitionen zu tätigen.Dirk Emminger
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