Agiler werden mit ‘Objectives and Key Results'(OKR); am Anwendungsbeispiel von Risk Ident
Die Vorteile von Agilität sind bekannt und doch herrscht Skepsis: statt Selbstorganisation wird Chaos, statt iterativem Vorgehen Planlosigkeit befürchtet. Dr. Martin Bernhardt (Berg Lund & Company) und Piet Mahler (COO Risk Ident) erläutern, wie Risk Ident per ‘Objectives and Key Result’ (kurz: OKR) die Aktivitäten auf ein gemeinsames Ziel hin ausrichtete und sogar Agilität an sich entfachen konnte.
von Dr. Martin Bernhardt, Berg Lund & Company (BLC) und Piet Mahler, COO Risk Ident
Ein häufig genanntes Zielbild beim Versuch, das eigene Unternehmen auf die Anforderungen eines veränderlichen Marktes mit immer kürzeren Innovationszyklen zukunftsfähig auszurichten.Wir müssen agiler werden“ …
Reflexartig wird der Methodenkoffer geöffnet: Scrum-Teams schießen wie Pilze aus dem Boden und Hersteller von Kanban-Zubehör erfreuen sich steigender Absatzzahlen.
Vor echtem organisatorischem Umbruch hingegen herrscht, vorsichtig ausgedrückt, noch Skepsis.”
Aus Angst vor Kontrollverlust wird an hierarchischen Organisations- und Entscheidungsstrukturen festgehalten und Transparenz wird zwar gepredigt, endet aber meist noch vor der ersten Zielverfehlung. So bleiben Agilitätsbestrebungen Stückwerk und scheitern an einem grundlegenden Missverständnis: Agilität ist keine Methode, Agilität ist eine Frage der Einstellung.
Damit die in kurzen Abständen entwickelten Ergebnisse agiler Methoden ihre Wirkung in der gesamten Organisation entfalten, müssen sukzessive auch Organisations- und Entscheidungsstrukturen agil ausgerichtet werden. Selbstorganisierte Teams benötigen einen Überbau, einen „Nordstern“, an dem sie ihre Aktivitäten ausrichten können.
OKR – Objectives and Key Results
Eine geeignete Möglichkeit, einen solchen Überbau zu errichten und gleichzeitig die agile Einstellung im Unternehmen zu verstärken, steht mit Objectives and Key Results, kurz OKR, zur Verfügung. Es ist ein agiles Zielsystem, mit dessen Hilfe sich die Arbeit von Teams und Mitarbeitern im gesamten Unternehmen konsequent an den strategischen Zielen des Unternehmens ausrichten lässt. Diesen Weg hat auch Risk Ident beschritten. Der innovative Softwareanbieter zum Schutz vor Online-Fraud hat sich in seinen Bestrebungen nach mehr Agilität zum Einsatz von OKR entschlossen. Dabei wurden zunächst strategische Unternehmensziele definiert, daraus eine Jahres-Roadmap abgeleitet und schließlich für alle Organisationseinheiten entwickelt.
Alle OKR müssen auf die Top-Level-OKR des Unternehmens einzahlen.”
Trotz dieses – insbesondere zu Beginn – mühsamen Unterfangens lohnt der Aufwand. Denn sind unternehmensweit OKR definiert, ist damit sichergestellt, dass alle im Unternehmen gemeinsam an einem Strang ziehen: Dann wissen vom Praktikanten bis hin zum CEO, vom selbstorganisierten Scrum-Team bis hin zum Controlling-Bereich alle Organisationseinheiten genau, was sie in der kommenden Periode tun müssen, um an der Erreichung der Unternehmensziele mitzuwirken.
Ambitionierte Ziele und Schlüsselergebnisse
Im Kern bestehen OKR aus den so genannten „Objectives“ (Zielen) und ca. 3-5 „Key Results“ (wesentlichen Ergebnissen) je Ziel. Objectives beschreiben, was in der kommenden Periode erreicht werden soll. Sie sind qualitativ, ambitioniert und inspirierend. Key Results hingegen beschreiben, wie ein Ziel erreicht werden soll. Sie sind quantitativ, eindeutig und messbar. Sind alle Key Results zu 100 Prozent erfüllt, so sollte auch das zugehörige Objective erreicht sein. Abhängig vom Ambitionsniveau des Objectives kann allerdings schon bei einer Zielerreichung der Key Results in Höhe von 60-70 Prozent vom „grünen Bereich“ gesprochen werden.
Motivation durch Transparenz
Entscheidendes Merkmal von OKR ist Transparenz: Diese herrscht im gesamten Unternehmen über alle Organisationseinheiten idealerweise inkl. der jeweils aktuellen Zielerreichung. Damit lassen sich häufig erstaunliche Effekte realisieren. Wird die Zielerreichung von Team-OKR z. B. im Kaffeeraum veröffentlicht (hierzu reicht bereits der Einsatz von Bordmitteln), entsteht eine völlig neue Motivationskultur.
Bei Risk Ident haben wir uns eine entsprechende App einfach selbst programmiert. Im Aufenthaltsraum zeigen wir auf einem Monitor den aktuellen Zielerreichungsgrad der Team-OKR an. In regelmäßigen Reviews berichten die Teams zudem vom Fortschritt und teilen die Erfolge und Herausforderungen der letzten Wochen miteinander. Sowohl die App als auch die Reviews haben bei uns mehr Transparenz und Kommunikation untereinander ausgelöst.“
Neue Form der Wertschätzung
Gerade in agilen Teams, deren Arbeit häufig durch Selbstorganisation ohne eine disziplinarische Führungskraft geprägt ist, können OKR ihre Stärken ausspielen.
Gemeinsame Ziele sind das A und O in solchen Teams. Hinter den gemeinsamen Zielen müssen sich alle versammeln, sonst werden die PS trotz eines schlagkräftigen Ansatzes nicht auf die Straße gebracht.“
Piet Mahler ist COO bei Risk Ident (Softwareprodukte Betrugsprävention). Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim arbeitete Mahler als Strategieberater in der Finanzindustrie und betreute dort insbesondere deutsche Großbanken. Im Jahr 2015 wechselte er zu Risk Ident, wo er seitdem die agile Organisationsentwicklung vorantreibt.
Agil agiler werden
Dennoch darf die Einführung von OKR nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Ein einfaches Überstülpen des OKR-Zielsystems auf eine Organisation wäre zum Scheitern verurteilt. Eine behutsame, reflektierte und schrittweise Einführung – ganz im Sinne der agilen Prinzipien – ist hingegen empfehlenswert. So ist es ratsam, OKR zunächst in einer einfachen Ausbaustufe (einem so genannten „Minimum Viable Product“) im Unternehmen zu testen und von den Erfahrungen zu lernen. Im Anschluss kann man das Zielsystem verfeinern und dann jeweils schrittweise nach erfolgter empirischer Prozesskontrolle weiter auszurollen.
Bei Risk Ident gehen wir bislang mit OKR nur bis auf Ebene der Teams (und nicht auf Mitarbeiterebene) herunter. Aus diesem Prozess möchten wir zunächst lernen. Wir schauen uns genau an, wie die Teams mit der Methode arbeiten und passen den Prozess bei Bedarf flexibel an. Wir haben gelernt, dass eine Einführung nach dem Lehrbuch nur bedingt sinnvoll ist. Jedes Unternehmen muss seine eigene Variante der OKR finden – es ist ein stetiger Lernprozess.“
Framework als Basis für Agilität
Glücklicherweise ist eine flexible Anpassung von OKR möglich, um das Zielsystem auch in mehreren Ausbaustufen auf die individuellen Bedürfnisse einer Organisation auszurichten. Beispielsweise kann in einem ersten Schritt wie bei Risk Ident die Einführung von OKR zunächst nur bis auf Teamebene hilfreich sein. Gleiches gilt für die Transparenz. Soll diese zunächst auf Teams und deren Bereich beschränkt werden oder sich bis auf individuelle Ebene erstrecken? Oder für den Zyklus: Sollen OKR – wie in der Literatur häufig empfohlen – in einem quartalsweisen Rhythmus überarbeitet werden oder sind sogar noch kürzere Zyklen gewünscht? Es ist ein mächtiges Framework mit vielen Gestaltungs- und Anpassungsmöglichkeiten und eine Entwicklung im Zeitverlauf ein explizit erwünschter Effekt zur stetigen Verbesserung des Gesamtsystems.
In diesem Sinne schaffen OKR es nicht nur, gerade in agilen Organisationen mit selbstbestimmten Teams geordnete Strukturen zu etablieren und Chaos abzuwenden, sondern leisten auch einen Beitrag zu mehr Agilität an sich. Möglich wird dies durch die Verkörperung der agilen Werte und Prinzipien von der Befähigung der Interaktion über die zyklische Vorgehensweise bis hin zur konsequenten Einforderung von Feedback und gegenseitiger Reflektion. OKR sind somit sowohl ein Standard für die Zielfestlegung im agilen Kontext als auch eine geeignete Methode, Agilität von innen heraus zu entfachen und für alle Mitarbeiter greifbar zu machen.Dr. Martin Bernhardt & Piet Mahler
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