Robotic Process Automation (RPA) zum Innovations-Enabler bei Banken und Sparkassen machen!
Robotic Process Automation (RPA) birgt im IT-Finance-Sektor sowohl Chancen als auch Risiken. Klaus Schilling, Direktor beim Beratungshaus Publicis Sapient, erläutert, wie RPA anstatt nur zur Automatisierung von Standardprozessen als Innovations-Beschleuniger eingesetzt werden kann.
von Klaus Schilling, Publicis Sapient
Viele Banken und Sparkassen setzen seit Jahren verstärkt auf RPA-Tool, mit dem Ziel, möglichst schnell und ohne Aufwand manuelle Prozesse zu automatisieren, Kosten einzusparen sowie Prozessdurchlaufzeiten zu optimieren. Es scheint, als wäre RPA zu „Everybody’s Darling“ bei Fachabteilungen und externen Beratern geworden – schließlich kann so mit geringen Technologie-Skills die Digitalisierung der internen Prozesse vorangetrieben werden. Da überrascht die Prognose der Gartner-Analysten nicht, dass der Markt für RPA-Tools bis 2022 um jährlich 41 Prozent wachsen wird. Dabei liegt der Einsatzschwerpunkt der RPA-Projekte bisher auf der Automatisierung bestehender Benutzeroberflächen per Robot, ohne die bestehende Anwendung anpassen bzw. eine neue Schnittstelle implementieren zu müssen.RPA darf nicht zur Innovationsbremse werden
Bei steigender Anzahl der eingesetzten RPA-Robots in einem Finanz-Unternehmen wachsen nicht nur die Chancen, sondern auch gleichzeitig die mit der Technologie verbundenen Risiken.
So wird etwa durch RPA eine Optimierung erreicht, ohne dass die bestehende Architektur angepasst werden muss. Damit entfällt der Druck im Unternehmen, in die Enterprise-Architektur zu investieren.”
RPA wirkt dann wie ein ‚Lebensverlängerer‘ für veraltete Infrastrukturen und sorgt dafür, dass der Investitionsstau größer wird …
… gerade in Zeiten der digitalen Business Transformation ein fataler Fehler. Weiterhin ermöglichen es Robots den einzelnen Fachabteilungen, selbst zu automatisieren, ohne die IT einzubinden. Die dadurch fehlenden übergreifenden Governance-Anpassungen an den Anwendungen haben jedoch zur Folge, dass die Robots ausfallen können und kundenrelevante Serviceprozesse unterbrechen. Dies kann zu massiven Kundenbeschwerden führen.
RPA gezielt für Innovationen einsetzen
RPA-Robots eignen sich in der Regel weniger, um nachhaltige Prozessautomatisierung zu erzielen. Stattdessen ist RPA das Mittel der Wahl, wenn es darum geht, kurzfristig angelegte Übergangslösungen zu entwickeln und umzusetzen. Beispielsweise wenn eine Bank eine Idee für einen innovativen Service ersinnt, der innerhalb eines kurzen Zeitraums als Minimum Viable Product (MVP) umgesetzt und ausprobiert werden soll. Um die bestehende Anwendung über bereits vorhandene IT-Infrastruktur fernzusteuern, kommt RPA in Verbindung mit Data zum Einsatz. Dieses Vorgehen ermöglicht es, die Ergebnisse der MVP-Tests zu visualisieren. Wenn der neue Service erfolgreich ist, kann schließlich ein IT-Projekt aufgesetzt werden und die Integration über eine offene Schnittstelle erfolgen. Soweit die Theorie. In der Praxis wird RPA bisher noch selten im Innovationsumfeld eingesetzt. Dabei geht es gerade auf diesem Gebiet nicht um langfristige Lösungen, sondern um die zeitnahe und flexible Bereitstellung und Integration von Prototypen und MVPs in bestehende Service-Umgebungen. Hier können schnelle, kostengünstige und einfach zu implementierende Integrationslösungen via Robots ihr Potenzial voll ausspielen.
Anwendungsstrategien von RPA: Das Zusammenspiel der Systeme ist entscheidend
Die jeweiligen potenziellen Anwendungsbereiche von RPA im Unternehmen sowie deren Zusammenhänge verdeutlicht Gartner mit der Pace-Layered Application Strategy. Dieser Ansatz eignet sich, um die Unterschiede zwischen sogenannten „Systems of Record“, „Systems of Differentiation“ und „Systems of Innovation“ zu erläutern:
Systems of Record enthalten die stabilen Kernprozesse der Bank, die wenig Änderungen erfahren und durch die IT-Abteilung weiterentwickelt und betrieben werden.
Systems of Innovation sind von kurzlebiger Natur und dienen dazu, neue Ideen und Geschäftsmodelle schnell umzusetzen und direkt mit Kunden zu erproben. Sie liegen heutzutage meistens im Verantwortungsbereich des Chief Digital Officers (CDO) und müssen sich agil und unabhängig entwickeln können – das gilt insbesondere für ihr Verhältnis zu den Systems of Record und der zentralen IT.
Erfolgreiche Modelle werden dann in die Systems of Differentiation überführt, nicht erfolgreiche Ideen nach dem Test abgeschaltet.
RPA-Anwendungen nehmen in der Pace-Layered Application Strategy eine wichtige Rolle ein: Die Robots kommen im Umfeld der Systems of Innovation immer dann ins Spiel, wenn es um die Anbindung an die Systems of Record geht. Während die Systems of Differentiation über Schnittstellen an das Backend angebunden sind, fehlen diese Interfaces während der MVP-Phase für die neuen Innovationen regelmäßig. Aus gutem Grund: Es macht hier noch keinen Sinn, entsprechende APIs zu realisieren – weder zeitlich, da ein MVP in maximal sechs Wochen umgesetzt wird, noch wirtschaftlich, schließlich steht zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest, ob der MVP zu einem tatsächlichen Produkt weiterentwickelt wird.
Anstatt mit der IT über nicht vorhandene Schnittstellen zu diskutieren und dabei wertvolle Zeit zu verschwenden, können CDOs mittels RPA bestehende Anwendungsoberflächen schnell und einfach automatisieren und so temporäre und leicht veränderbare Lösungen anbieten – unabhängig von der IT-Abteilung. Ein Beispiel: Der Vertrieb möchte bestimmte Kunden aufgrund ihrer Daten zu einem spezifischen Zeitpunkt per E-Mail ansprechen. In der Mail findet der Kunde einen Link, der zu einer Microsite führt, auf der er sich registrieren kann. Da das Backend über keine Schnittstelle für diese spezifischen Registrierungsdaten verfügt, legt das Frontend diese an einem definierten Ort ab. Sobald entsprechende Daten vorhanden sind, wird direkt ein RPA-Robot aktiv. Er meldet sich über die Oberfläche am Backend an und erfasst automatisch die Kundenregistrierung.
Wie das Beispiel zeigt, kann RPA eine nutzbringende Komponente der Systems of Innovation sein – aber nicht die einzige. Neben der Automatisierung der Backend-Anbindung gilt es, Oberflächen (bspw. als Microsite) zur Verfügung zu stellen, die Prozesse des Frontends zu steuern sowie eine Datenhaltung und die erforderliche Datenanalyse vorzunehmen. In der Praxis zeigt sich, dass Systems of Innovation aus mehreren Komponenten bestehen.
Neben RPA sind insbesondere sogenannte Low bzw. No Code-Entwicklungs-Umgebungen hilfreich, um schnell Frontends zu erstellen und zu betreiben. Aus der Kombination von User Interface, Low Code Automatisierung und RPA entsteht eine Plattform, die die Entwicklung schneller, kostengünstiger MVPs erlaubt, die nach erfolgreichem Test in die Systems of Differentiation überführt werden können.
Haben Digitalverantwortliche in der Finanzbranche erst einmal verstanden, wie sie RPA auch direkt für die Innovationsarbeit – und damit für Wachstum – einsetzen können, sind sie einen großen Schritt weiter. Auf diese Weise schaffen es Banken und Sparkassen, sich in Zeiten der digitalen Business Transformation vom Wettbewerb zu differenzieren und dauerhaft erfolgreich zu agieren.Klaus Schilling, Publicis Sapient
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