Praxistest: Tanken und Bezahlen 4.0 –
Shell Smartpay (PayPal) versus HEM Tamoil (RYD)
Tankstellen sind seit Jahren Vorreiter beim bargeldlosen Bezahlen. Auf Grund des hohen Überfallrisikos und aus Serviceaspekten wurde bereits vor über 30 Jahren flächendeckend auf bargeldlose Zahlverfahren gesetzt. Kreditkartenakzeptanz war von Anfang an eine Selbstverständlichkeit. Nun geht es einen ganzen Schritt weiter: Shell Smartpay ist eine Gemeinschaftsentwicklung von Shell und PayPal. Rudolf Linsenbarth hat die beiden neuen Zahlverfahren getestet.
von Rudolf Linsenbarth
Wer öfter ins Ausland reist, findet in vielen Ländern bereits ein Kartenterminal auf dem Vorfeld in der Nähe der Zapfsäulen. Damit lassen sich dann Tankstellen mit weniger Personal oder völlig unbeaufsichtigt betreiben. Der nächste logische Schritt wäre jetzt das Bezahlen direkt per Smartphone oder aus dem Auto heraus.Einen solchen Service bieten in Deutschland bereits zwei Mineralölgesellschaften. Zum einen gibt es Shell Smartpay, eine Gemeinschaftsentwicklung von Shell und PayPal. Die Alternative dazu heißt ryd und stammt von dem Münchner Start-up ThinxNet und wird von den HEM Tankstellen angeboten.
Das Versprechen lautet: Einfach Vorfahren, volltanken und sofort weiterfahren.”
Shell Smartpay
Shell hat seinen Dienst Smartpay an über 80% seiner Tankstellen ausgerollt. Die Zapfsäule wird per Smartphone-App freigeschaltet. Die Bezahlung läuft dann via PayPal und ist mit der Kundenkarte Shell ClubSmart eng verknüpft.
Um Smartpay zu nutzen, benötigt man ein Android- oder Apple-Smartphone, sowie ein Konto beim Online-Bezahldienst PayPal. Die Zahlung per Kreditkarte oder einem anderen Zahlverfahren ist derzeit noch nicht möglich. Zur Einrichtung muss man als Erstes die Shell Smartpay App installieren. Die Registrierung umfasst die Eingabe der Clubsmart Kundennummer und die Angabe der PayPal Zahlungsdaten. Am Ende legt man zusätzlich noch eine Sicherheits-PIN fest. Die iOS-App unterstützt Touch-ID, sodass man Smartpay mit dem Fingerabdruck freischalten kann.
Der Ablauf vor Ort im Praxistest – direkt an der Tankstelle
Shell: An der Tankstelle muss das Smartphone auf GPS zum Orten der Position des Nutzers und die mobilen Daten zurückgreifen können. Das Auto wird zuerst neben der Zapfsäule abgestellt. Danach öffnet man die Shell-App. Die Shell Station ist dank GPS bereits bekannt. Im nächsten Schritt tippt man die Säulennummer ein und bestätigt die Freischaltung. Nun gibt man den Betrag ein, für den man Tanken möchte. Hierbei sind Schritte von 10 € bis 150 € möglich. Im Anschluss wird der ausgewählte Betrag vorautorisiert. Final abgerechnet wird dann aber nur das, was auch wirklich getankt worden ist. Kunden die bereits an einer unbemannten Tankstelle getankt haben, dürften das Verfahren bereits kennen.
Ich hatte mich für 10 € entschieden. Allerdings stoppte die Säule schon bei 9,24 €, so dass ich dann doch etwas irritiert war. Nachfrage: Ob man mir jetzt die Polizei hinterherschicken würde, wenn ich jetzt einfach losfahre. Kein Problem alles gut, war die Antwort. Die Pumpen könnten nicht so fein gesteuert werden, dass der Zapfvorgang genau bei 10 € beendet wird und daher schaltet man dann lieber etwas früher ab. Bezahlen muss ich natürlich nur die Menge, die ich auch wirklich getankt habe.
Die Abrechnung verläuft einwandfrei und der Beleg kommt per Mail und ist auch in der App zu finden. Bei einem späteren Zweitnutzungsversuch hatte ich dann leider mein Passwort schon wieder vergessen. Für die PW Neuvergabe muss man aber seine Shell Clubsmart Kartennummer eingeben. Die hatte ich natürlich auch nicht dabei … unpraktisch für Gelegenheitsnutzer.
RYD an den HEM-Tankstellen
Der Entwickler von ryd, die Thinxnet GmbH aus München ist ein Start-up mit Fokus auf dem Internet of Things (IoT). Neben Payment hat man auch Connected-Car-Plattform Lösungen, wie dem OBD-2 Stecker, im Portfolio.
Die RYD App lässt sich an über 350 HEM-Tankstellen der Deutschen Tamoil nutzen. Auch hier muss die spezifische App für Android oder IOS installiert werden. Diese fungiert gleichzeitig als Preisvergleichsmaschine. Das bringt also noch mal einen gewissen Mehrwert mit sich. Etwas nervend fand ich die Abfrage zu den Fahrzeugdaten, die man vor der ersten Nutzung zwingend eingeben muss.Die RYD App erlaubt als hinterlegte Zahlmethoden Kreditkarten und das Lastschriftverfahren. Der Tankstopp verläuft hier etwas anders als bei der Shell-Variante: Erst wird getankt und erst danach zückt man sein Smartphone, um den Treibstoff zu bezahlen.
In der App ist die Tankstelle durch GPS ebenfalls bereits bekannt und man wählt nun die Säule, aus an der man gerade getankt hat. Hier gilt es, den Betrag an der Säule mit der Anzeige in der App zu vergleichen.
Danach muss man noch den Kilometerstand eingeben, um die Zahlung zu initiieren. Der Bezahlvorgang wird dem Tankwart direkt im Kassensystem signalisiert. Abschließend gibt eine Anzeige grünes Licht zum direkten Weiterfahren.
Das Tanken-4.0-Fazit: Shell Smartpay vs. HEM Tamoil
Beide Apps bringen für regelmäßige Nutzer mit Sicherheit einen Mehrwert. Spätestens beim zweiten Tankvorgang dürften die Abläufe flott von der Hand gehen. Bei der Shell App wird man dann wahrscheinlich immer den maximalen Betrag vorautorisieren und danach genau die Menge tanken, die man auch bei einem „konventionellen“ Tankvorgang ausgewählt hätte.
Während die Shell App aus dem Blickwinkel eines Kundenbindungsprogramms daher kommt, ist der RYD-Ansatz mit Angabe der Fahrzeugdaten eher mit der Connected Car Brille zu sehen.”
Mit der Bertha App des Daimler-Benz-Konzerns gibt es übrigens noch eine weitere App. Allerdings scheint das Produkt, zumindest was den Bezahlvorgang angeht, identisch mit der RYD App zu sein. Sie funktioniert auch an allen HEM-Tankstellen, an denen die RYD eingesetzt werden kann. Der nächste Schritt wäre nun eigentlich, die Zahlfunktion völlig vom Smartphone zu entkoppeln und die direkt vom Auto aus zu initiieren.
Mit einer Jahreskilometerleistung von unter 5000 km gehöre ich wahrscheinlich nicht zur Kernzielgruppe. Aber auch wenn ich maximal alle zwei Monate eine Tankstelle betrete, kann ich mir sehr gut vorstellen, diese Stopps noch kürzer zu gestalten. Allein die digitalen Tankbelege wären es mir wert. Die hier vorgestellten Verfahren sind dafür sehr gut geeignet.
Aus meiner Sicht ist das zumindest der kommende Bezahlstandard für die Elektromobilität. Das Thema hat jedenfalls eine Menge Entwicklungspotenzial.Rudolf Linsenbarth
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