Facebook-Coin: Warum „Projekt Libra“ ein Angriff auf Banken und FinTechs ist
Dass hinter einer Kryptowährung bedeutende Unternehmen stehen, hat es in der Vergangenheit bereits mehrfach gegeben – gerade im Umfeld mit Kryptowährungen, in die Industriekonzerne aus dem IoT- und Industrie-4.0-Umfeld große Hoffnungen für das M2M-Payment setzen. Doch jetzt plant Facebook, eine eigene Währung namens Facebook-Coin zu etablieren. Bereits im Laufe des heutigen Dienstags könnten Pläne hierzu konkretisiert werden, wenn das Unternehmen ein entsprechendes Konzeptpapier vorlegt. Insbesondere für Banken und Payment-Unternehmen aus der FinTech-Welt könnte die Facebook-Währung einiges verändern.
Facebook könnte mit der eigenen Kryptowährung zu einer Art Zentralbank werden. Die Währung könnte als Zahlungsmittel für die drei Messenger Whatsapp, Instagram und Facebook Messenger zum Einsatz kommen – und somit eine der zentralen Einnahmequellen neben Werbung für den Zuckerberg-Konzern werden. Denn auch wenn das Werbegeschäft derzeit die Cash Cow von Facebook ist, braucht der Konzern über kurz oder lang weitere Erlösquellen – und eine Zahlungslösung klingt unter diesem Gesichtspunkt nach einem guten Plan. Facebook hatte bereits im Mai entsprechende Ressourcen in London angesiedelt.Doch noch viel wichtiger: Facebook könnte so noch tiefere Einblicke in das Kauf- und Zahlungsverhalten der Kunden gewinnen. Und genau das ist es, was die Banken in ihrer heutigen Form den Händlern nicht in zufriedenstellender Weise bieten können. Als netter Nebeneffekt würde ein solches zusätzliches Feature auch dazu führen, dass Nutzer die Dienste des Unternehmens noch häufiger nutzen und noch mehr Daten hinterlassen – ein Konzept, das schon Amazon seit Jahren erfolgreich umsetzt.
Das alles dürfte also auch die Banken und FinTechs aufhorchen lassen. Zunächst einmal ist Facebook Coin ein Zahlungsmittel, das denkbar einfach funktionieren soll – das hatte Mark Zuckerberg bereits im April anlässlich einer Entwicklerkonferenz angekündigt. Und wer die Lösungen von Unternehmen wie Amazon, Google und Facebook kennt, weiß, dass man im Silicon Valley Prozesse und Funktionsweisen schon oft neu gedacht und einfacher gestaltet hat, als sich dies die etablierten Unternehmen der jeweiligen Branche vorstellen konnten.
Geld versenden sollte so einfach sein, wie ein Foto zu verschicken.“
Mark Zuckerberg, Facebook
Visa, Mastercard, PayPal: Die Großen steigen mit Facebook ins Boot
Verantwortlich sein für die Blockchain- und Krypto-Initiative soll David Marcus, der ehemalige Chef des Zahlungsdienstleisters PayPal. Facebook hat hierzu bereits in der Schweiz eine Stiftung unter dem Namen „Libra Networks“ gegründet. Interessant ist in diesem Zusammenhang aber auch die Liste der Firmennamen, die bereits laut Wall Street Journal angekündigt haben, dass sie die neue Währung unterstützen wollen. Hierunter finden sich einerseits Visa und Mastercard, andererseits aber auch PayPal und Uber. All diese Firmen sind bereit, einem Konsortium beizutreten und mit einem Investment von (mindestens) 10 Millionen US-Dollar einzusteigen. Insgesamt soll eine Milliarde US-Dollar zusammenkommen, die als Sicherheit für den Token dienen soll. Um die Volatilität des Libra zu verringern, soll der Kurs an einen Währungskorb bestehend aus Euro, Dollar, Yen und Pfund angebunden werden.
Unterm Strich könnte Facebook auf diesem Weg nicht weniger gelingen als die Schaffung einer (stabilen und an anderen Währungen ausgerichteten) Parallelwährung – das ist eine faszinierende und gleichermaßen bedenkliche Idee.“
Dass Unternehmen wie PayPal oder die beiden großen Kreditkartenanbieter hier mitmischen wollen, obwohl eine solche Initiative ihr eigenes Kerngeschäft empfindlich stören könnte, ist nur auf den ersten Blick erstaunlich. Denn offenbar sind sich die Beteiligten darüber bewusst, dass ein solches Projekt mit ihrer Unterstützung, aber auch ohne diese stattfinden wird – und der Datenschatz, der sich hieraus ergibt und auf den zumindest potenziell auch alle Partner Zugriff haben, dürfte zu verlockend sein, um ein solches Projekt zu ignorieren oder gar zu konterkarieren.
Micropayment könnte sich in Zukunft rechnen
Zu erwarten ist daher, dass sich eine solche Payment-Lösung insbesondere bei Micropayment eignen könnte, die für viele andere Zahlungsdienstleister im Banking-Umfeld nicht interessant sind, weil sie zusätzliche Kosten verursachen und sich für die Unternehmen schlecht abbilden lassen. Die Folgen wären für die gesamte Digitalwirtschaft spürbar: Neue Geschäftsmodelle von Unternehmen, etwa aus der Medienbranche oder dem Dienstleistungssektor, die sich aufgrund kleiner Abrechnungsbeträge bislang nicht gelohnt haben, könnten in Zukunft attraktiver werden.
Lohnen könnte sich eine solche Parallelwährung auch für Bürger in Staaten mit einem instabilen Währungssystem und hoher Inflation, etwa in der Türkei oder Argentinien. Gerade in dem südamerikanischen Land spielt trotz aller Ressentiments gegen die USA der US-Dollar bereits seit Jahren eine wichtige Rolle als eine Art Parallelwährung. Wahrscheinlich wäre, dass eine an drei, vier große Währungen gebundene (stabile) Parallelwährung wie der Facebook-Coin dazu führen könnte, dass Sparer ihr Geld lieber dort parken – mit allen unangenehmen Folgen für die jeweiligen nationalen Bankensysteme.
Facebook: Angriff auf zahlreiche etablierte Geschäftsmodelle
Richtig problematisch könnte eine solche allgemein akzeptierte Lösung für Unternehmen wie Western Union und Moneygram (und damit verwandte Fintechs) werden, die ihr Geld vor allem mit dem schnellen und einfachen Transfer von Geld verdienen. Gerade die Übertragung von Zahlungen in exotischere Währungen sind immer noch richtig teuer – und damit für eine Facebook-Coin ein spannendes Geschäftsfeld. Gut möglich, dass Facebook ein solches Projekt vor allem in den Emerging Markets vorantreiben wird.
Insbesondere könnte es aber auch das Thema P2P-Payment weiterbringen, wenn Nutzer über die drei Messenger Whatsapp, Instagram und Facebook Messenger bezahlen können. In China etwa floriert bereits seit mehreren Jahren der Handel über den Messenger WeChat.
Profitieren von dem Hype um die Zuckerberg-Währung könnte aber die gesamte Kryptobewegung, allen voran Bitcoin und Ethereum. Denn wenn Denkmodelle wie die Blockchain auch bei den großen Digitalkonzernen hoffähig werden, profitieren letzten Endes alle davon – auch wenn eine Währung unter der Kontrolle eines großen Digitalkonzerns wie Facebook mit dem Grundgedanken, unabhängig von Zentralbanken und anderen großen Institutionen zu werden, nicht mehr viel gemeinsam hat.
Zentralbanken und Regulierungsbehörden werden mitreden wollen
Auf den Plan rufen dürfte ein solches Projekt aber auch die Regulierungsbehörden der nationalen wie internationalen Finanzsysteme – sie werden hier mehr als nur ein Wörtchen mitzureden haben bei Themen wie Schutz vor Hackern, Stabilität der Geldmenge, Lizenzen für E-Geld und nicht zuletzt Geldwäscherichtlinien.tw
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