Prospektpflicht bei Utility Token? Rechtsanwalt Patrick Smith bewertet die Rechtslage und Auffassung der BaFin
Die Stellungnahmen der BaFin, der EBA sowie der ESMA (u.a. Advice vom 9. Januar 2019 – ESMA: hier mehr …) verhelfen der aufsichtsrechtlichen Einordnung von ICOs langsam zu genaueren Konturen. Wir haben RA Patrick Smith um eine Einordnung gebeten, denn bei Utility Token stellt sich die Frage nach deren Einordnung als Wertpapiere im Sinne des WpPG (sowie u.a. auch der EU-Prospektverordnung) und einer daraus folgenden Prospektpflicht.
von Patrick Smith, Rechtsanwalt / Assoziierter Partner bei GÖRG
ICOs im Allgemeinen und die rechtliche Bewertung von Token im Besonderen bringen zahlreiche juristische Fragen mit sich. Im Folgenden soll beleuchtet werden, inwiefern die Ausgabe von Utility Token eine Pflicht zur Veröffentlichung eines Wertpapierprospektes insbesondere nach § 3 Abs. 1 WpPG mit sich bringt. Nach dieser Vorschrift darf ein Emittent Wertpapiere grundsätzlich erst dann im Inland öffentlich anbieten, wenn er zuvor einen Prospekt für diese Wertpapiere veröffentlicht hat.Das Angebot von Wertpapieren ohne einen erforderlichen Prospekt kann u.a. als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet werden. Die BaFin kann ein solches rechtswidriges Angebot auch untersagen, zudem können Geld- oder ggf. Freiheitsstrafen drohen.
Vorfrage: Öffentliches Angebot im Inland
Deutsches Prospektrecht kommt grundsätzlich nur zur Anwendung, wenn ein Angebot „im Inland“ vorliegt. Eine Prospektpflicht nach § 3 Abs. 1 WpPG kommt demnach dann in Betracht, wenn durch ein öffentliches Angebot von Wertpapieren Anleger in der Bundesrepublik Deutschland angesprochen werden. Indizien, welche auf ein Ansprechen von Kunden in Deutschland hindeuten, sind u.a. eine Website oder Unterlagen in deutscher Sprache, die Anwendbarkeit von deutschem Recht im Impressum oder den AGB, Erläuterungen zu steuerlichen Fragen in Deutschland und Werbung, die an den deutschen Markt gerichtet ist.
Die Frage des öffentlichen Angebots in Deutschland ist insbesondere auch für Unternehmen wichtig, die einen ICO im Ausland planen, jedoch (auch) Anleger in Deutschland ansprechen möchten. Hierbei wird fälschlicherweise häufig davon ausgegangen, dass die deutsche Regulierung nicht zur Anwendung komme.
Utility Token – Abgrenzung
Eine Einteilung der Token-Emissionen in die Kategorien Currency Token, Investment Token (auch Security oder Equity Token) und Utility Token hat sich in der Praxis etabliert. Utility Token gewähren in erster Linie einen Zugang zu einem Produkt bzw. einer Dienstleistung. Sie unterscheiden sich damit von Investment Token, bei denen Rechte auf künftige Zahlungen (z.B. in Form von Gewinnbeteiligungen) sowie teilweise auch Stimmrechte eingeräumt werden, und von reinen Crypto Currencies mit Zahlungsfunktion.
Hybride Token kombinieren die Rechte und Funktionen aus zwei oder allen drei Formen der Token (Utility Token, Currency Token und Investment Token). So kann z.B. bei einem Utility Token auch die Hoffnung auf eine Wertsteigerung im Vordergrund stehen oder eine Gewinnbeteiligung eingeräumt werden. Diese typengemischten Token sind hinsichtlich einer Prospektpflicht danach einzuordnen, ob jedenfalls ein Teil der eingeräumten Rechte eine Einordnung als Wertpapier begründet (hierzu unten).
Regulatorische Einordnung von Crypto Currencies und Investment Token
Die rechtliche Einordnung von Token wird nicht durch die Bezeichnung der Token (z.B. als Utility Token) bestimmt. Erforderlich ist vielmehr, wie auch die BaFin hervorhebt (hierzu Regulierung von ICOs), eine genaue Einzelfallprüfung der im Token verkörperten Rechte.
Im Einzelfall sind neben dem WpPG bei der Ausgabe und dem Handel der Token Pflichten nach weiteren Gesetzen zu prüfen (insb. WpHG, KWG, VermAnlG, KAGB).
Regulatorische Einordnung von Utility Token
Für eine Prospektpflicht nach § 3 Abs. 1 WpPG bei der Ausgabe von Utility Token ist maßgeblich, ob Utility Token als Wertpapiere im Sinne des § 2 Nr. 1 WpPG einzuordnen sind. Ab dem 21. Juli 2019 wird diese Fragestellung entsprechend nach Art. 3 Abs. 1 und Art. 2 lit. a) der EU-Prospektverordnung zu prüfen sein. In speziell gelagerten Fällen kann auch eine Prospektpflicht nach VermAnlG oder KAGB in Betracht kommen.
Utility Token als Wertpapier im Sinne des § 2 Nr. 1 WpPG?
Das WpPG erwähnt (Utility-) Token nicht. Mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Benennung können Utility Token allenfalls als andere bzw. sonstige Wertpapiere im Sinne des § 2 Nr. 1 WpPG zu klassifizieren sein. Voraussetzungen für das Vorliegen eines sonstigen Wertpapiers sind nach vorzugswürdiger Ansicht die Übertragbarkeit, Handelbarkeit, Standardisierung sowie die Vergleichbarkeit mit den in § 2 Nr. 1 WpPG genannten Wertpapieren.
Einzelne Stimmen in der juristischen Literatur verlangen in diesem Zusammenhang für das Vorliegen eines Wertpapiers zusätzlich eine Verbriefung der Token. Die BaFin stellt jedoch klar (Hinweisschreiben), dass die Verbriefung des Token in einer Urkunde keine zwingende Voraussetzung eines übertragbaren Wertpapiers ist.
Standardisierung, Übertragbarkeit und Handelbarkeit
Die bei einem ICO ausgegebenen Token erfüllen diese Merkmale in aller Regel. Token sind regelmäßig einheitlich ausgestaltet und demnach standardisiert. Eine Übertragbarkeit liegt vor, wenn weder rechtliche noch tatsächliche Hindernisse die freie Veräußerbarkeit durch den jeweiligen Rechteinhaber beeinträchtigen; auch dies ist bei Token regelmäßig der Fall. Die Handelbarkeit der Token an einem Markt (z.B. Kryptobörsen) ist ebenfalls in den meisten Fällen gegeben.
Vergleichbarkeit
Demnach ist die funktionelle Vergleichbarkeit mit Aktien oder anderen Wertpapieren für die Einordnung von Utility Token maßgeblich und muss anhand der durch den Token eingeräumten Rechten geprüft werden.
Reine Utility Token
Zunächst ist die Frage der Vergleichbarkeit in Bezug auf reine Utility Token (in Abgrenzung zu hybriden Utility Token, bei denen auch eine Investmentfunktion im Vordergrund steht) zu beantworten. Dabei ist festzustellen, dass sich die Zweckrichtung von reinen Utility Token dem Grunde nach erheblich von derjenigen der im WpPG aufgeführten Wertpapiere unterscheidet. Die in § 2 Nr. 1 WpPG genannten Wertpapiere sind gekennzeichnet durch den Fokus des Investors auf Profit; bei Aktien z.B. durch Kurssteigerungen und Dividendenausschüttungen. Dagegen steht bei reinen Utility Token die mit dem Token verbundene Dienstleistung bzw. die Nutzung des Produkts im Vordergrund.
Inwieweit eine Vergleichbarkeit mit den genannten Wertpapieren vorliegt, ist unter Berücksichtigung der Zielrichtung der Prospektpflicht zu beantworten. Hauptzweck der Prospektpflicht ist der Schutz des Anlegers. Der Anleger partizipiert durch den Erwerb von Aktien oder ähnlichen Wertpapieren am Unternehmenserfolg des Emittenten. Dabei besteht jedoch zwischen Anleger und Emittent regelmäßig eine erhebliche Informationsasymmetrie. Um diese abzubauen, bedarf der Anleger umfassender Informationen über die angebotenen Wertpapiere bzw. die Geschäftslage des Emittenten; diese erhält der Anleger im Prospekt.
Bei dem Erwerb von Utility Token ohne Investmentfunktion beziehen sich gegebenenfalls bestehende Informationsdefizite der Anleger in erster Linie nur auf die Beschaffenheit oder den Nutzen des Produkts. Dieser Situation fehlt gerade die investmentspezifische Risikolage, welche die Anwendung von kapitalmarktrechtlichen Vorschriften an anderer Stelle (z.B. bei Aktien) unabdingbar macht. Sie ist viel eher vergleichbar mit einer kauf- oder dienstvertraglichen Situation.
Demnach würde es nicht dem Sinn und Zweck der Prospektpflicht entsprechen, Utility Token ohne Investmentfunktion als „vergleichbare“ Wertpapiere zu erfassen und somit der Prospektpflicht zu unterstellen. Nach zutreffender Ansicht ist daher bei reinen Utility Token kein Prospekt nach dem WpPG erforderlich.
In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese Einordnung in der Rechtswissenschaft derzeit Gegenstand kontroverser Diskussion ist und eine gegenteilige Auffassung der BaFin, die sich diesbezüglich noch nicht abschließend geäußert hat, zudem möglich ist. Daher sollte vor der Ausgabe von Utility Token eine genaue Prüfung im Einzelfall stattfinden und die BaFin konsultiert werden.
Hybride Utility Token mit Investmentfunktion
Gleichwohl kann eine Vergleichbarkeit vorliegen, wenn bei einem Utility Token die Investmentfunktion im Vordergrund steht (z.B. bei einer Gewinnbeteiligung oder Spekulation auf den Token-Wert) und insoweit erhebliche Informationsasymmetrien bestehen können. In diesen Fällen entspricht es gerade dem Sinn und Zweck der Prospektpflicht, diese Token als Wertpapiere einzuordnen. Ein solcher hybrider Utility Token kann daher nach zutreffender Ansicht als vergleichbares Wertpapier angesehen werden (und kann bei Ausgabe somit eine Prospektpflicht begründen).
Unterscheidung zwischen reinen und hybriden Utility Token
Die Abgrenzung eines reinen Utility Token ohne vordergründige Investmentfunktion von einem hybriden Token, bei dem die Investmentfunktion eine tragende Rolle spielt, ist für die Frage der Prospektpflicht maßgeblich und muss im Einzelfall anhand bestimmter Kriterien vorgenommen werden. Beispielhaft können hierbei herangezogen werden (nicht abschließend):
1. Der Entwicklungsstand des Produkts2. Die Vertriebswege des Produktes
3. Die Vermarktung des Produktes
Wie dargestellt, ist die rechtliche Behandlung von Token umstritten. Nach vorzugswürdiger Ansicht können die genannten Kriterien indizieren, ob einem Token eine Investmentfunktion zukommt oder nicht.
(i) Gewährt der Token Zugang zu einem Produkt, welches bei oder zeitnah nach Erwerb genutzt werden kann, spricht dies dafür, dass die Nutzung des Produkts im Vordergrund steht. Eine vordergründige Investmentfunktion liegt dagegen dann nahe, wenn das Produkt bzw. die Dienstleistung erst noch zu entwickeln ist. Der Erwerber investiert dann eigentlich nicht in ein Produkt selbst, sondern in die Aussicht, dass das Unternehmen mit der Entwicklung des Produkts Erfolg hat; soweit dies der Fall ist, kann der Erwerber des Token häufig auch mit einer Steigerung des Token-Werts rechnen. In dieser Situation steht daher häufig das Investment in das Unternehmen selbst und die Spekulation auf einen Zuwachs des Token-Wertes im Fokus des Anlegers.
(ii) Auch die Vertriebswege des Produkts bzw. der Dienstleistung können ein Indiz sein. Wenn das Produkt z.B. durch Zahlung in EUR erworben werden kann, spricht dies grundsätzlich gegen eine vordergründige Investmentfunktion, da der Wert des Token dann durch den in der konventionellen Währung aufgerufenen Preis begrenzt ist. Soweit eine Dienstleistung nur durch Token erworben werden kann und diese zahlenmäßig begrenzt sind, liegt es nahe, dass Erwerber des Token bei einer Verknappung des Angebots auf eine Steigerung des Token-Werts spekulieren.
(iii) Schließlich kommt den eigenen Werbekanälen und Informationsmaterialien des Emittenten eine gewisse Aussagekraft für die Abgrenzung zu. Werden z.B. im Whitepaper erhebliche Kursgewinne in Bezug auf den Token in Aussicht gestellt, spricht dies für eine Einordnung als hybrider Token mit Investmentfunktion. Dagegen kann es auf einen reinen Utility Token hindeuten, wenn die Dienstleistung ausführlich beschrieben und eine etwaige Wertsteigerung des Token nicht erwähnt wird.
Fazit
Inwieweit bei Ausgabe von Utility Token ein Wertpapierprospekt gemäß § 3 Abs. 1 WpPG veröffentlicht werden muss, hängt in erster Linie davon ab, ob der jeweilige Utility Token als Wertpapier einzuordnen ist. Nach vorzugswürdiger Ansicht sind reine Utility Token mangels Vergleichbarkeit mit den in § 2 Nr. 1 WpPG genannten Wertpapieren regelmäßig nicht als Wertpapier zu behandeln und unterliegen somit keiner Prospektpflicht nach dem WpPG. In diesem Zusammenhang kommt der Abgrenzung von reinen Utility Token und hybriden Utility Token mit Investmentfunktion besondere Bedeutung zu.
Vor der Emission von Utility Token ist eine genaue Bestimmung der durch den Token vermittelten Rechte angezeigt. Zudem sollte nach eingehender Prüfung im Einzelfall eine Abstimmung mit der BaFin durchgeführt werden, um Haftungsrisiken zu minimieren.RA Patrick Smith
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