Offene Schnittstellen für Versicherungen – ist die Zeit reif für eine Art Versicherer-PSD2?
Die Payment Service Directive 2 (PSD2) ist eine der größten Bewegungen im Finanzsektor, die wir in den letzten Jahrzehnten gesehen haben. Es geht um offene Schnittstellen. Aber was ist mit der Versicherungsbranche? Wird sie dieser Entwicklung folgen? Das flammende Plädoyer von
Sebastian Langrehr, Friendsurance
Die PSD2 ermöglicht Banken und anderen Dienstleistern die Nutzung von Kundendaten – natürlich nur mit deren Einverständnis. Das schafft Mehrwert und bringt Datensouveränität. Schön für Bankkunden, aber was ist mit Versicherungsnehmern? Auch die Versicherungsbranche braucht Innovation, braucht Mehrwert und braucht Standards, um den Datentransfer festzulegen.Versicherer sind digital – Daten fließen überall
Daten fließen bei allen Prozessen der Versicherer. Da wir unsere Online-Services möglichst kundenfreundlich gestalten möchten, setzen wir (Friendsurance) auf die wenigen Daten-Schnittstellen, die den Datenaustausch sicher und schnell ermöglichen (und die in der Versicherungswelt überhaupt existieren). Dank der PSD2 haben nun auch Banken ihre Datensilos geöffnet und damit einen großen Fortschritt in ihrer Industrie ermöglicht. Mit einer PSD2-Schnittstelle vereinfachen wir unseren Kunden zum Beispiel das Onboarding, indem existierende Verträge aus dem Bankkonto erkannt und so einfacher erfasst werden können.
Eine wichtige Funktion ist die Aggregation von Verträgen in Form einer elektronischen Vertragsübersicht – unabhängig davon, bei welcher Gesellschaft ein Kunde versichert ist. Eine weitere Funktion, die darauf folgt, ist die automatisierte Vertragsoptimierung – eine einfache Anpassung von Verträgen mit wenigen Klicks – zum Beispiel aufgrund von Umzug oder anderen Veränderungen in der Lebenssituation des Versicherungsnehmers.
Und genau einen solchen Ansatz wie im Umgang mit Bankdaten benötigen wir auch in der Versicherungsbranche. Warum, ist meiner Meinung nach nicht zu übersehen:
Wie wir arbeiten (müssen!)
Stellen Sie sich vor: Ein Kunde kommt auf unsere Homepage, um seine Autoversicherung zu optimieren. Dafür unterschreibt er ein Maklermandat. Dieses ermöglicht es, im Auftrag des Kunden die Versicherungsdaten von der jeweiligen Gesellschaft einzuholen. So weit, so gut. Dies bedeutet jedoch nicht, dass wir diese auch umgehend erhalten. Häufig kontaktieren wir den Versicherer per E-Mail und warten, bis das Unternehmen uns die Informationen online oder offline zurücksendet. In anderen Fällen fordern wir Daten über Maklerpools oder BiPro an. BiPro ist in unserer Branche eine der wenigen vorhandenen Schnittstellen, die den Datentransfer zwischen Versicherungsgesellschaften, Maklern, Agenten und Vermittlern möglich macht. Das ist ein standardisierter Ansatz, der für Marktteilnehmer optional ist. Wenn BiPro eingesetzt wird, verwenden es Versicherungsgesellschaften oft nur für wenige Datenprozesse – jedoch nicht für alle.
Neben BiPro bieten rund 90% der großen Versicherer eigene Portale, auf denen Daten abrufbar sind. Für einen Makler wie uns, der mit mehr als 170 Versicherungsgesellschaften zusammenarbeitet, bedeutet das: Tägliches Einloggen in etliche Portale.
Dass das zeitintensiv ist, muss ich wahrscheinlich nicht weiter erläutern. Um uns unabhängiger zu machen und um Prozesse wie diesen für unsere Kunden zu beschleunigen, haben wir sogar ein eigenes Machine-Learning-System entwickelt. Es erkennt Kundendaten in Versicherungspolicen automatisch.
Basierend auf fast neun Jahren Erfahrung im Versicherungsmarkt können wir sagen: Es gibt mehr Datenübertragungsmöglichkeiten als Versicherungsunternehmen.”
Eine einheitliche API wird nicht konsequent eingesetzt – mit negativen Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit von Versicherungsunternehmen, Maklern, Vermittlern und Kunden. Und das, obwohl die Digitalisierung dafür Lösungen ermöglicht.
Anwendungsfälle in der Versicherungsbranche
Welche Vorteile ergeben sich, wenn der Datenfluss angemessen standardisiert und kontrolliert verfügbar gemacht würde? Hier drei exemplarische Use Cases:
1. Steuererklärung und VersicherungsdatenEin Kunde verwendet einen Cloud-basierten Service, um seine Steuererklärung zu machen. Anstatt alle Versicherungsdaten manuell einzugeben, integriert er sein Versicherungskonto mit Hilfe der Versicherungs-API bei dem Steuererklärungs-Service. Damit ist aufwändiges Suchen in Papierstapeln und Leitz-Ordnern nicht mehr notwendig. 2. E-Commerce und Versicherungskauf
Der Kunde entscheidet sich beim Online-Shopping dafür, seine Artikel im Warenkorb zu versichern. Als Alternative zur Auswahl eines neuen Versicherers schützt er die entsprechenden Artikel mit seinem bestehenden Versicherer und signiert die Transaktion mit starker Kundenauthentifizierung mit einem einmaligen Passwort. Der Kunde konnte sich in Eigenregie darum kümmern, was ihm wichtig ist. 3. Multi-Finance und Multi-Insurance
Der Kunde aggregiert alle Versicherungsverträge in einer Multi-Banking oder Multi-Finance App. Er integriert seine Daten über offene Schnittstellen. Mit der API seines favorisierten Anbieters nimmt er relevante Änderungen vor. Kunden wollen gelegentlich selbst in der Lage sein, ihre Vertragsinformationen zu erfassen.
Brauchen wir eine Initiative?
Ja! Es drängen neue, einflussreiche Teilnehmer auf den Versicherungsmarkt (alle reden über Amazon, Google & Co.). Wenn wir nicht vorantreiben, welche Datenstandards wir brauchen, dann machen es andere. Die Versicherungsbranche braucht ebenso Innovation und Kundenzentrierung, wie es in der Finanzbranche gerade vorgelebt wird. Auch, um in Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben.”
Sebastian Langrehr, FriendsuranceSebastian Langrehr ist der erste Head of Bank Cooperations bei Friendsurance in Berlin und verantwortlich für Kooperationen mit Banken, FinTechs & Co. Vor Friendsurance war er bei figo, Talanx Bancassurance und der MLP AG. Nach seinem Betriebswirtschaftsstudium an der FHDW absolvierte er weitere Ausbildungen in Finanzen und Versicherungen und war aktiv als Dozent für Financial Advisory. Daher haben wir mit einigen Gleichgesinnten eine Marktinitiative gestartet, die sich mit diesem Thema befasst. Die Gruppe setzt sich zusammen aus Führungskräften einiger großen Versicherungsunternehmen, namhaften InsurTechs und einigen Beratern. Wir überlegen dabei, in welcher Form offene Schnittstellen organisiert werden sollten, so dass alle Beteiligten von standardisierten Prozessen profitieren. Versicherungsgesellschaften ebenso wie Agenten oder Makler – und vor allem: unsere Kunden.
Noch ein BiPro?
Ja! Es drängen neue, einflussreiche Teilnehmer auf den Versicherungsmarkt (alle reden über Amazon, Google & Co.). Wenn wir nicht vorantreiben, welche Datenstandards wir brauchen, dann machen es andere. Die Versicherungsbranche braucht ebenso Innovation und Kundenzentrierung, wie es in der Finanzbranche gerade vorgelebt wird. Auch, um in Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben.”
Einige von Ihnen denken vielleicht: „Wir haben doch schon BiPro. Warum sollten wir eine andere Initiative wie diese brauchen?“ Diese Initiative soll kein neues „BiPro“ sein. BiPro ist ein erster und schlagkräftiger Schritt in die richtige Richtung und bereits teilweise im Versicherungsgeschäft etabliert. Wir wissen das zu schätzen und bauen gern darauf auf! Aber wir wollen mehr! Und das wollen wir mit der neuen API-Initiative erreichen: Standardisierte Prozesse, einheitliche Lösungen und mehr Datensouveränität.
Es ist ein Signal für die gesamte Versicherungsbranche und eine Einladung, gemeinsam eine Lösung zu finden. Und dies zu tun, bevor es ein anderer tut, der die Standards nach den eigenen Bedürfnissen festlegt. Denn früher oder später wird allen klar, dass es nur mit standardisierten Schnittstellen geht – und dass diese nicht alleine gebaut und betrieben werden können.
Offene Schnittstellen: Möchten Sie mitdiskutieren?
Schreiben Sie mir (Sebastian Langrehr, Friendsurance) gerne eine E-Mail, um zur Open Insurance API Initiative auf dem Laufenden zu bleiben.aj
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https://itfm.link/82609
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