Korrespondenzbanken: Wie Technologie das Korrespondenzbankgeschäft wiederbeleben kann
Trotz zunehmender Marktgröße bleibt das Korrespondenzbankgeschäft aufgrund von Kosten für Compliance, Reputationsrisiken und sinkender Margen unter Druck. Kann Technologie das Gleichgewicht zwischen Risikominderung und Einbindung in das Finanzgeschehen herstellen?
von Maurizio Bradlaw, VP Consulting, Banking & Financial Services, Cognizant DACH
Die breitere Verteilung des global erwirtschafteten Wohlstands hat neue Möglichkeiten geschaffen, stellt den Finanzsektor aber auch vor neue Herausforderungen. Die Zunahme von lokalen Banken hat zu einer Erweiterung des Korrespondenzbanken-Sektors geführt. Dabei stehen große internationale Banken im Wettbewerb, für kleinere oder regionale Unternehmen die Infrastruktur bereitzustellen, mit denen Transaktionsdienste wie grenzüberschreitende Zahlungen erbracht werden können.Korrespondenzbankgeschäft – nur mit Vertrauen und Netzwerken
Dabei handelt es sich um einen Wirtschaftszweig, der auf Vertrauen aufbaut und ein Netzwerk benötigt, das dieses untermauert. So müssen beispielsweise lokale Banken darauf vertrauen können, dass internationale Bankenvermittler über ein belastbares Transaktionsnetzwerk verfügen, das sicher ist und einem hohen Volumen standhalten kann. Auf der anderen Seite müssen größere internationale Banken darauf vertrauen können, dass die lokalen Banken, mit denen sie zusammenarbeiten und die möglicherweise einer weniger strengen Aufsicht durch örtliche Behörden unterliegen, dennoch standardmäßige Compliance-Anforderungen erfüllen. Diese beiden Faktoren sind für Banken unerlässlich, um Kunden in Schwellenländern effektiv mit Finanzdienstleistungen versorgen zu können.
Jüngste Änderungen von Aufsichtsregeln wie der US-amerikanische Bank Secrecy Act sowie erhebliche Regelverletzungen und Vorfälle, bei denen Banken unvorbereitet und unwissentlich Betrugs- oder Drogenkartelle unterstützten, haben jedoch zu einer Minderung dieses Vertrauens geführt. Tatsächlich gaben der Weltbank zufolge 75 Prozent der internationalen Banken zwischen 2014 und 2015 an, dass sie ihre Aktivitäten mit Korrespondenzbanken zurückfahren.
Die Reputationsrisiken im Zusammenhang mit Geldwäsche, Betrug, Sanktionen oder Sicherheitsverletzungen – ganz zu schweigen von hohen aufsichtsrechtlichen Bußgeldern – und den damit verbundenen Compliance-Kosten führen dazu, dass Banken überaus vorsichtig sind, wo und wie sie ihre Dienstleistungen anbieten.”
Dadurch haben manchmal ganze Regionen und Geschäftsfelder, die bisher von lokalen Banken betreut wurden, keinen Zugang mehr zu einem breiteren Leistungsspektrum. So könnten einem typischen großen globalen Finanzinstitut beispielsweise Kosten von bis zu 25.000 US-Dollar pro Jahr nur für Compliance entstehen, um ein Bankkonto in einem anderen Land offenzuhalten. Wenn zudem das geschäftliche oder politische Klima in diesem Land Gefährdungspotenziale aufweist, werden die entsprechenden Beziehungen oft beendet.
Ironischerweise widerspricht dieser Trend dem global angestiegenen Transaktionsvolumen.”
Nehmen wir zum Beispiel den Fall des internationalen Zahlungsverkehrs: Über 80 Prozent des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs über SWIFT werden von Banken abgewickelt, darunter 49 der 50 größten weltweit. Dennoch ist der Zahlungsverkehr teilweise noch sehr langsam und dauert durchschnittlich fünf Tage. Darüber hinaus führt der Mangel an Zusatzinformationen für die Zahlungen bei 25 Prozent aller internationalen Zahlungen dazu, dass manuelle Nachbesserungen nötig sind.
Kann Technologie – angesichts der anhaltenden Globalisierung, die zu einem Anstieg des internationalen Handels und von Investitionen führt sowie die Nachfrage nach den damit verbundenen Dienstleistungen weltweit beflügelt – dazu beitragen, den Sektor wiederzubeleben, der darum kämpft, das Gefüge von Vertrauen und Leichtigkeit neu zu erfinden, das für ihn die Geschäftsgrundlage bildet?
Vertrauen in die Technik
Technologie kann eine wichtige Rolle dabei spielen, den Sektor effizienter und profitabler zu machen. Da beispielsweise viele der Vorgänge bei großen internationalen Banken immer noch manuell ausgeführt werden, hat die Einführung bestimmter Technologien ein enormes Potenzial der Effizienzsteigerung und Prozessoptimierung. Einige Player setzten daher auf Künstliche Intelligenz (KI) in Form von Smart Contracts, um den Fallstricken von Subjektivität zu entgehen und betrügerische Transaktionen zu erkennen, ohne dass eine menschliche Beurteilung erforderlich ist. Andere nutzen KI und Analytics auf Hyperkontext-Basis, um das Risiko von kriminellem Finanzgebaren zu reduzieren und ersetzen manuelle Bearbeitungen durch Transaktionsüberwachungstechnologien.
Auch die „Schienen“ des Finanz-Ökosystems entwickeln sich weiter: Die Global Payment Innovation (GPI) von SWIFT wurde eingeführt, um der weltweiten Bankenszene internationale Zahlungen in Echtzeit zu ermöglichen, wobei GPI bis 2020 der Standard für alle grenzüberschreitenden SWIFT-Zahlungen sein soll. Um es in Relation zu setzen: In nur 15 Monaten wurden mit GPI bereits 25 Prozent des gesamten grenzüberschreitenden SWIFT-Zahlungsverkehrs abgewickelt.”
Blockchain könnte auch im Bereich Korrespondenzbanken zu erheblichen Vereinfachungen führen und sofortige sowie sichere grenzüberschreitende Zahlungen ermöglichen. Eine globale Bank hat kürzlich die weltweit erste kommerziell tragfähige Handels-Finanztransaktion mit Blockchain durchgeführt, die den Weg für eine viel breitere Akzeptanz ebnen könnte. Innovationen wie die oben genannten werden die dringend benötigten Verbesserungen in Bezug auf Geschwindigkeit, Integrität und Transparenz bringen und damit das gesamte Kundenerlebnis verbessern.
Ein Schlüsselfaktor ist hier die Zugänglichkeit: Wenn lokale Banken oftmals nicht unbedingt den Willen oder die Ressourcen haben, in Spitzentechnologie zu investieren, so müssen sie das auch nicht, wenn internationale Banken dies stattdessen tun. Diese kleineren Unternehmen hätten im Rahmen einer Korrespondenzbanken-Beziehung Zugang zu den Plattformen des größeren Unternehmens. Internationale Banken verfügen über die Ressourcen, um Funktionen wie Smart Contracts an lokale Partner weiterzugeben und diese, bei gegebener richtiger Unterstützung, als entsprechende Mehrwertdienste abzurechnen. Höhere Gebühren für diese Art von Dienstleistung könnten auch dazu beitragen, das Problem der Rentabilität für internationale Banken zu lösen.
Service für eine neue Generation
Um lokale Partner zu motivieren, ihre Dienste wieder großflächig in Anspruch zu nehmen, könnten große internationale Banken ihre Prozesse und Preismodelle variieren. Während einerseits die Anforderungen von Geschäftskunden steigen, kommen die Interaktionen, die größere Banken den lokalen Partnern bieten, zunehmend zu kurz. Auch wenn die Notwendigkeit besteht, herkömmliche Geschäftsprozesse wie Scheckzahlungen zu modernisieren und den heutigen Kundenstrukturen anzupassen, scheitern viele Kundenservice-Modelle allein daran, dass die Angebote mit zu hohen Compliance-Kosten verbunden sind. Könnten internationale Banken daher andere Preisstrukturen für ihre Dienstleistungen in Betracht ziehen und Modelle anwenden, die denen des Privatkundengeschäfts ähneln?
Einige größere Banken bieten inzwischen beispielsweise spezifische Dienstleistungen rund um die Transaktionsüberwachung, das Dokumenten- und Vertragsmanagement sowie Finanzanalysen an.”
Dadurch wird die Erfahrung der lokalen Banken verbessert und zwar durch kostengünstige mundgerechte Produkte, die ihren Bedürfnissen besser entsprechen. Damit können auch die Kosten für Service und Compliance gesenkt und gleichzeitig die Teilnehmer am Ökosystem befähigt werden, ihre Dienste variabel zu berechnen. Den lokalen Partnern wird damit ein nahezu iPhone-ähnliches Erlebnis geboten, da sie nicht so sehr für ein Produkt bezahlen, das weitgehend austauschbar ist, sondern vielmehr für die Art und Weise, wie es ihnen präsentiert wird. In der Bankenwelt könnte dies dazu führen, dass Gebühren auf dem Wert der Leistung beruhen, die von den größeren globalen Banken bereitgestellt wird, anstatt auf einer Standardgebühr für jede Transaktion.
Es ist eine Teamleistung
Auf den ersten Blick scheinen die Marktchancen groß zu sein, doch die Bedenken der jeweiligen Stakeholder könnten verhindern, das Geschäftspotenzial des Korrespondenzbankgeschäft in vollem Umfang zu realisieren. So wissen beispielsweise internationale Banken um Risiken wie Geldwäsche, und auch die Aufsichtsbehörden benötigen die entsprechende Einsicht in die Vorgänge. Die zusätzliche Herausforderung besteht darin, den Rechts-, Personal- und Risikoteams in den Banken technologische Innovationen schmackhaft zu machen, was keine leichte Aufgabe sein wird. Diese Hindernisse mögen wohl die potenziellen Einnahmen internationaler Banken schmälern, doch die Folgen für die fehlende Bereitstellung von Finanzmitteln sind gravierender, denn Großteile der Bevölkerung in Regionen, die nicht mit Bankdienstleistungen versorgt sind, könnten vom Finanzsystem abgeschnitten werden, wenn ihre lokalen Banken nicht über die hierfür erforderliche Infrastruktur verfügen.
Der Schlüssel zur Lösung der Unwägbarkeiten, unter denen die Branche leidet, liegt darin, Banken, FinTech-Unternehmen, Berater und Aufsichtsbehörden an einen Tisch zu bringen, um einen ausgewogenen Ansatz zu entwickeln, der den Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht wird.”
Schließlich ist das Korrespondenzbankgeschäft im Grunde genommen ein von Menschen geführtes Geschäft, das auf Sicherheit, Berechenbarkeit und Servicequalität basiert. Dank der Effizienzsteigerung durch Technologien wie KI und Analytics verfügen Banken und Aufsichtsbehörden über mehr Spielraum bei der Zusammenarbeit, um das Potenzial des Korrespondenzbankgeschäfts zu nutzen und damit die lokalen Banken in die Lage zu versetzen, auch ihren Kunden moderne Finanzdienstleistungen anzubieten.aj
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