Versicherungs-IT: Zwischen traditionellem Geschäft und digitalen Prozessen
Digitale Transformation im Versicherungsbusiness ist und bleibt aktuell das größte Thema in der Versicherungs-IT. Das zeigte sich auch auf dem 10. Messekongress „IT für Versicherungen“ der Versicherungsforen Leipzig, der in dieser Woche stattfand. Im Fachprogramm und auf der Ausstellermesse diskutierten über 400 Spezialisten die aktuellen Branchenfragen, etwa das Potenzial künstlicher Intelligenz im Versicherungswesen oder den sicheren und compliance-konformen Einsatz von Cloud Services.
Die Digitalisierung ist längst im Alltag angekommen – sei es in Form von technischen Endgeräten, die Konsumenten nutzen und die neue Formen der Kundenkommunikation ermöglichen, oder als Prozess, dem man sich als Kunde fügen muss, beispielsweise beim Online-Shopping. Vor allem aber in Unternehmen hat die Digitalisierung weitreichende Auswirkungen. So müssen die IT-Abteilungen nicht mehr nur über die neueste Technik im Blick verfügen, sondern auch ihre bestehenden Systeme und IT-Ressourcen fit für die Zukunft halten. Auf diesen Spagat ging auch Dr. Rainer Sommer, COO und CIO der Generali Deutschland, in seiner Keynote ein. Er sieht in der Balance zwischen Legacy und Moderne aktuell eine der größten Herausforderungen der IT. Angesichts der steigenden Innovationsgeschwindigkeit seien vor allem die Kosten für die Legacy-Systeme lähmend.Gleichwohl müssen mit dem vorhandenen Budget an vielen Stellen der Wertschöpfungskette signifikante IT-Umbauten vorgenommen werden, um zukunftsfähig zu bleiben. Legacy-Management und Innovationen sieht Sommer zwar als Widerspruch zueinander, allerdings gibt es nach seinen Aussagen auch Punkte, an denen sich beides gut ergänzt.
Die große Herausforderung ist dabei die Frage nach der Priorisierung – aktuell und in Zukunft eine wichtige Aufgabe des Vorstands. Um den Herausforderungen der Digitalisierung zu begegnen, setzt die Generali neben der Priorisierung (was soll getan werden?) noch auf die Themen Technologie (wie soll es getan werden?) und Skills (wer soll es tun?). Mit diesem Dreiklang lassen sich die parallelen Herausforderungen der kommenden Jahre gut im Blick behalten.”
Dr. Rainer Sommer, COO und CIO der Generali Deutschland
Dass Digitalisierung bzw. das Management der digitalen Transformation entscheidend für das Wachstum und die Rentabilität des Unternehmens ist, zeigte sich auch in weiteren Vorträgen anlässlich des Kongresses der Versicherungsforen Leipzig. Dr. Susanna Poth (Gothaer Systems) betonte, dass ein wichtiger Erfolgsfaktor in der Zusammenarbeit von IT und Fachbereichen liegt. Dazu brauche man gemeinsame Ziele auf Basis eines Masterplans für die digitale Transformation. Dadurch, dass die IT-Abteilungen jedoch Vorreiter sowie auch Enabler der Digitalisierung sind, resultiert laut Dr. Poth eine große Verantwortung.
Versicherungs-IT: Ex-Google-Deutschland-Chef hält Keynote
In der Keynote von Christian Baudis, Gründer von MyDigital und ehemaliger Google-Deutschlandchef, wurde betont, dass es durch die Digitalisierung zwar schon große Veränderungen gegeben hat, diese aber noch lange nicht abgeschlossen sind – weder im Business- noch im Konsumentenumfeld. Unternehmen müssen sich daher vorbereiten, um den anstehenden Wandel nicht zu verschlafen. Wichtige Änderungen zu antizipieren und (IT-seitig) darauf zu reagieren, wird in den kommenden Jahren eine der dringendsten Fragestellungen sein.
Die GAFA-Unternehmen, die als Bedrohung der Assekuranz gesehen werden, sind im eigentlichen Sinne nicht besser als andere – aber sie verstehen es besser, ihre Daten zu nutzen. Auf Basis der intelligenten Auswertung und Nutzung der Daten erarbeiten sie sich Wettbewerbsvorteile. Dies müssen auch Versicherungsunternehmen lernen.”
Christian Baudis, Gründer MyDigital
Als größte Gefahr der Digitalisierung sieht Baudis jedoch, dass Menschen und Unternehmen „eine Verweigerungshaltung“ einnehmen. Unsicherheiten und Risiken können seiner Meinung nach nur reduziert werden, wenn Unternehmen sich Neuem nicht verschließen. Auch die Politik ist gefragt, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen.
Im Rahmen der dritten Keynote des Messekongresses thematisierte Prof. Dr. Volker Gruhn, Universität Duisburg-Essen, die Herausforderungen der digitalen Transformation. Der Wissenschaftler führte aus, warum die digitale Transformation gerade jetzt an Fahrt aufnimmt. Seiner Meinung nach sind die aktuellen Entwicklungen im Bereich KI sowie 5G entscheidende Katalysatoren. Dass es durch die technischen Entwicklungen der letzten Jahre möglich ist, enorme Datenmengen zu generieren, ist dabei genauso entscheidend wie die sinkenden Kosten für Speichertechnologie und zunehmende Leistungsfähigkeit der Plattformen und Algorithmen. Dennoch sieht er einen entscheidenden Hemmfaktor darin, dass wirklich lösungsbezogene Anforderungen leider schlecht formuliert werden können.
Lösungen für Versicherungs-IT mit Hilfe von APIs und InsurTechs
Einen Ansatz, wie Versicherungs-IT zum Unternehmenserfolg beitragen kann, präsentierte Dr. Frank Simon (Zurich Deutschland). Er erklärte, dass sich ein großer Teil der IT-Systeme von Versicherungen mittels APIs anbinden ließe und nicht selbst vorgehalten werden müsste. In diesem Vorgehen sieht er aktuell einen großen Vorteil der Start-ups, die mit eingekauften Systemen ihre eigene IT schlank halten. Dadurch können einzelne Programme und Systeme agil und schnell ausgetauscht werden, wenn sie den Anforderungen nicht mehr entsprechen.
Dr. Simon sieht hier auch für Versicherer Potenziale; einige Häuser wie die AXA, die Allianz und auch die Zurich experimentieren bereits damit. API-Management wird daher zunehmend zu einer eigenen Disziplin innerhalb der Versicherungs-IT. Um die Systeme zu schützen, ist natürlich eine gute Sicherung des API-Gateways nötig, die die IT-Abteilungen gewährleisten müssen. Durch die Öffnung der Systeme sieht Simon jedoch auch Chancen: Versicherer können sich als Plattformen positionieren und nicht nur IT-Systeme für den eigenen Betrieb anbinden, sondern auch weitere Services, mit denen den Kunden Mehrwerte geboten werden können, entwickeln. Darüber ließe sich das Kerngeschäft der Versicherer erweitern.
Fachforen und Vorträge zu Vertrieb und Prozessautomatisierung
Zusätzlich zu den Keynotes bot der Messekongress „IT für Versicherungen“ den Teilnehmern in diesem Jahr 18 Fachforen zu verschiedenen Schwerpunktthemen. Neben klassischen Fragestellungen der IT wie Vertrieb, Bestandsführung und Prozessautomatisierung gab es dabei auch Vorträge zu aktuellen Themen wie künstlicher Intelligenz, Cloud Services und Agilität. Erfahrungsberichte kamen beim diesjährigen Messekongress dabei unter anderem aus den Häusern der Barmenia IT, ARAG IT, der Bayerischen und der Allianz. Auch Vertreter der BaFin sowie einige Rückversicherer bereicherten die Veranstaltung mit ihren Beiträgen.
Die Versicherungsforen Leipzig haben zur Veranstaltung einen Live-Blog betrieben. Der bietet auch all jenen, die nicht dabei waren, im Nachgang interessante Eindrücke und Inhalte des Messekongresses. tw
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