Beratung bei Finanzfragen und Geldanlage: Faktor „Mensch“ bleibt weiter wichtig
Im Zeitalter der Digitalisierung nutzen nur 11 Prozent der befragten (potenziellen) Anleger in ihrer privaten Vermögensanlage eine rein digitale Beratung durch Robo-Advisor & Co. Der Grund: mangelndes Vertrauen. Jeder Zweite (47 Prozent der Befragten) allerdings wünscht sich für die Zukunft ein hybrides Modell, das persönliche Beratung und digitale Möglichkeiten kombiniert. Das zeigt eine im April vom Forschungsinstitut YouGov durchgeführte Online-Zielgruppen-Befragung, die vom Finanz-Softwareanbieter Ortec Finance und der Unternehmensberatung Concedro in Auftrag gegeben wurde.
Die Mehrheit der Befragten (60 Prozent) verzichtet ganz auf Beratung, wenn sie sich zum Thema private Vermögensanlage informiert. Sie recherchieren ausschließlich selbst (45 Prozent) oder gar nicht (15 Prozent). „Offenbar bietet Beratung den Kunden nicht genügend Mehrwert“, sagt Ton Kentgens vom niederländischen Finanz-Softwareanbieter Ortec Finance. Allerdings zählt rund ein Drittel der Befragten zu den „Kombinierern“, das heißt, sie informieren sich selbst und ziehen zusätzlich Beratung (digital oder persönlich) heran. „Wir nennen diese Zielgruppe ‚hybride Nutzer‘“, ergänzt Kentgens. Von denjenigen, die Beratung in Anspruch nehmen, greifen 88 Prozent ausschließlich oder zusätzlich auf persönliche Beratung zurück. Nur eine Minderheit von 11 Prozent nutzt ausschließlich digitale Beratung zum Beispiel durch einen Robo-Advisor.Den Befragten fehlt das Vertrauen in rein digitale Technologien. Knapp zwei Drittel der Teilnehmer vertrauen digitaler Beratung nicht.“
Frederik Lutterbeck, Business Expert bei Concedro
Nachholbedarf bei Angabe von Zielen und Risikoeinstellung
„Die Beratung – egal ob digital oder persönlich – sollte sich immer um die individuellen Ziele des Kunden drehen“, sagt Kentgens. In der Realität sieht es anders aus: Fast die Hälfte (46 Prozent) der befragten Beratungskunden hatten keine Möglichkeit, im Beratungsprozess individuelle Ziele anzugeben. „Hier herrscht ganz klar Nachholbedarf. In der persönlichen und auch in der digitalen Beratung durch beispielsweise einen Robo-Advisor ist ein zielbasierter Ansatz das A und O“, fügt Kentgens hinzu.
Ähnliche Lücken klaffen laut Umfrageergebnissen, wenn Kundenberater oder digitale Anbieter ein Risikoprofil erstellen: Gerade einmal ein Drittel der befragten Beratungskunden (37 Prozent) wurde nach ihrer Risikobereitschaft gefragt, davon konnten die meisten (32 Prozent) nur einmalig, am Anfang der Beratung, ihre Risikoeinstellung festlegen.
Es reicht nicht, wenn Kunden nur ein einziges Mal nach ihrer Risikobereitschaft gefragt werden. Sie sollte in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden. Darüber hinaus kann ein Kunde eine unterschiedliche Risikoeinstellung je nach Ziel haben. Deshalb sollte das Risikoprofil für jedes Ziel einzeln angelegt werden.“
Ton Kentgens, Ortec Finance
So möchte ein Kunde zum Beispiel kurzfristig für das Studium seiner Kinder sparen und gleichzeitig auf lange Sicht für seine Altersvorsorge Geld anlegen. Um dabei ein kurzfristiges Ziel wie die Studienfinanzierung zu erreichen, muss der Kunde eine entsprechend höhere Risikotoleranz mitbringen.
Modell für die Zukunft: Hybride Beratung mit zielbasierter Finanzplanung
Zur echten zielbasierten Finanzplanung gehört laut Kentgens auch das laufende Monitoring der Vermögensanlage. Der Kunde sollte immer auf dem aktuellsten Stand sein im Hinblick auf seine Zielerreichung. Doch nicht einmal jeder Dritte (28 Prozent) der befragten Beratungskunden erhielt einen Gesamtüberblick über seine voraussichtliche Zielerreichung. „Echte zielbasierte Finanzplanung ist technisch schon längst möglich, entscheidend ist die dahinterstehende Software – egal ob in einer Filialbank oder bei Robo-Anbietern“, weiß Ton Kentgens.
Zudem beweisen die Studienergebnisse, dass eine Diskrepanz zwischen heutiger Realität und Wunsch in der Zukunft herrscht. Denn lediglich 37 Prozent der Befragten nehmen heute Beratung in Anspruch, aber 76 Prozent wünschen sich Beratung in der Zukunft. „Es gibt demnach ein großes Beratungspotenzial, das von Unternehmen genutzt werden sollte“, sagt Frederik Lutterbeck von Concedro. Auf die Frage, welche Formen der Anlageberatung sich die Kunden in Zukunft wünschen, folgte ein klares Ergebnis: In jedem Fall eine Kombination aus persönlicher und digitaler Beratung (47 Prozent gaben dies an). „Wir glauben, dass sich in Zukunft ein hybrider Beratungsansatz durchsetzen wird, der menschliche Expertise mit einem digitalen Tool kombiniert“, erwartet Ton Kentgens.
Die Online-Umfrage „Kundenbedürfnisse im Zeitalter digitaler Vermögensverwaltung“ wurde vom 05. bis 13. April 2018 durchgeführt. Dafür wurden 1.029 Personen ab 30 Jahren mit einem Haushaltsnettoeinkommen von mindestens 4.000 EUR befragt. Die Umfrageteilnehmer gaben Auskunft über ihr Informations- und Beratungsverhalten, bewerteten Qualität und Individualisierungsgrad der in Anspruch genommenen Kundenberatung, und beantworteten Fragen zur Vertrauenswürdigkeit digitaler bzw. persönlicher Beratungsangebote sowie zu Beratungsmodellen der Zukunft.tw
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