Studie: Deutschland fällt bei der Akzeptanz neuer Bezahl-Technologien zurück
In Europa wird bis 2020 mit einer jährlichen Wachstumsrate von rund 7 Prozent im Zahlungsverkehr gerechnet. Das bedeutet, der Ertragspool wird von derzeit 38 Milliarden Euro bis 2020 auf bis zu 55 Milliarden Euro anwachsen. Der deutsche Markt hat hieran aktuell einen Anteil von rund 20 Prozent. Das sind die Ergebnisse der neuen Oliver-Wyman-Studie “Zahlungsverkehr in Europa – ein Blick auf die Zukunft der Branche im Privatkunden- und KMU-Geschäft“.
Die Studie analysiert den Zahlungsverkehr in 28 europäischen Ländern, darunter auch Deutschland und Österreich, Großbritannien, Irland sowie Skandinavien und die baltischen Länder – und identifiziert entscheidende Trends in diesem heterogenen Markt.Unsere Prognose ist, dass zukünftig wesentlich mehr Transaktionen elektronisch durchgeführt werden. Der Anteil von Account-to-Account-Transaktionen am europäischen Ertragspool wird von 2,5 Prozent in 2014 auf bis zu 7,5 Prozent in 2020 anwachsen. Zudem werden neue Zahlungsformen entstehen und Bargeld auf dem europäischen Markt langfristig ersetzen.“
Gökhan Öztürk, Partner bei Oliver Wyman und Co-Autor der StudieFür den deutschen Zahlungsverkehrsmarkt prognostiziert Oliver Wyman eine jährliche Wachstumsrate von bis zu 9 Prozent bis 2020. Der deutsche Ertragspool beträgt aktuell 7,4 Milliarden Euro. Bis zum Jahr 2020 wird er auf bis zu 12,4 Milliarden Euro anwachsen – vor allem getrieben durch höhere Konto- und Anbietergebühren wie der Händler-Service-Gebühr (MSC). Aufgrund hoher Volumina und steigender Preise für Privat- und Firmengirokonten sind diese Einkünfte mit rund 46 Prozent wichtigster Einflussfaktor für den Ertragspool in Deutschland.
Großbritannien und Skandinavien liegen bei der Akzeptanz neuer Bezahl-Technologien vorne
Auf dem europäischen Zahlungsverkehrsmarkt gibt es deutliche Unterschiede bei der Nutzung der verschiedenen Zahlungsarten, besonders bei neuen bargeldlosen Zahlungsmitteln. „Hinsichtlich der Akzeptanz neuer Zahlungstechnologien durch die Konsumenten liegt Deutschland hinter innovations-affinen Regionen wie Großbritannien und Skandinavien. Diese beiden Märkte weisen das höchste Volumen und die stärksten Wachstumsraten im bargeldlosen Zahlungsverkehr auf“, sagt Gökhan Öztürk. So ist in Großbritannien die Nutzung neuer kontaktloser Zahlungsmöglichkeiten rapide angestiegen – zwischen März 2014 und März 2016 von 18 auf 180 Millionen Transaktionen.
POS-Netze in Deutschland schlecht ausgebaut
Bezahlkarten sind in Deutschland und Frankreich/Benelux dagegen ähnlich verbreitet wie in Skandinavien und Großbritannien/Irland. Große Unterschiede gibt es hier jedoch bei der Dichte des Point-of-Sale-Netzes (PoS), das in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern wesentlich schlechter ausgebaut ist. Dadurch haben die Deutschen signifikant weniger Gelegenheit, ihre Bezahlkarten zu nutzen: Zuletzt gab es in Skandinavien fünf Mal so viele Kartenzahlungstransaktionen pro Kopf wie in Deutschland. Trotzdem ist in den letzten vier Jahren die Anzahl der Transaktionen mit Hilfe von Debit-Karten am PoS um 18 Prozent gestiegen.
Im bargeldlosen Bereich werden in Deutschland außerdem verhältnismäßig große Zahlungsvolumina im Lastschriftverkehr transferiert. Ein Grund hierfür ist das Elektronische Lastschriftverfahren (ELV), das beim Einkauf mit EC-Karten zum Einsatz kommt und den Kunden ein großes Maß an Sicherheit bietet. Bargeld bleibt ebenfalls eine zentrale Zahlungsmethode in Deutschland, Österreich sowie auf der iberischen Halbinsel/Italien. Der durchschnittliche Betrag bei Barabhebungen von 129 Euro ist in Deutschland im Vergleich zu Großbritannien/Irland mit 85 Euro relativ hoch.Neue Akteure im Zahlungsverkehrsmarkt
Große Technologiekonzerne sowie eine Vielzahl neuer Marktteilnehmer von FinTech-Acquirer im mobilen Zahlungsverkehr bis hin zu den mobilen Geldbörsen („M-Wallets“) von Apple oder Google treiben die Entwicklung im Zahlungsverkehrsmarkt durch rege Innovationstätigkeit voran. „Neben neuen Akteuren ist zu beobachten, dass etablierte Banken auf den mobilen Zahlungsmarkt drängen. Mit ihren Angeboten setzen sie auf Bequemlichkeit und Sicherheit für die Kunden. Die bankeigenen Produkte erweisen sich als recht erfolgreich“, erläutert René Fischer, Partner bei Oliver Wyman und Co-Autor der Studie. Die technologischen Veränderungen erfordern auch Anpassungen der Regulierung. Diese soll unter anderem für mehr Wettbewerb und Innovationsanreize bei den Anbietern sorgen sowie mehr Vertrauen und größere Zahlungssicherheit bei den Verbrauchern schaffen.
Unternehmerischer Fokus wird entscheidend
Die Entwicklungen auf den europäischen Zahlungsverkehrsmärkten werden die Zukunftsfähigkeit der Akteure nachhaltig auf die Probe stellen. Vor diesem Hintergrund müssen sich diese auf einige unternehmerische Imperative fokussieren. Die Berater gehen davon aus, dass sich größere Akteure, die in allen Bereichen aktiv sind, gut behaupten werden. Das gelte auch für kleinere Nischen-Player aus dem FinTech-Segment. Akteure, die keine spezifischen Mehrwertdienste anbieten und mit geringen Volumina operieren, könnten unter Druck geraten. Für alle Marktteilnehmer gilt: Es besteht ein verstärkter Zwang zu unternehmerischer Fokussierung. „So werden sich beispielsweise Banken, für die der Zahlungsverkehr keine Kernaktivität darstellt, möglicherweise zwischen einem stärkeren Engagement oder dem Ausstieg entscheiden müssen. Darüber hinaus werden wir in wenigen Jahren sehen, wer sich von den neuen Anbietern wie paydirekt oder Payback Pay breit durchsetzen wird“, fasst Fischer zusammen.
Die Oliver Wyman-Studie „Zahlungsverkehr in Europa – Ein Blick auf die Zukunft der Branche im Privatkunden- und KMU-Geschäft“ kann hier kostenlos heruntergeladen werden.aj
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