Lünendonk-Studien: Versicherer investieren in digitale Transformation – jetzt kommt IoT und Big-Data
Spätestens wenn es rechtlich möglich ist, auf Basis von Echtzeit-Informationen über das Fahrverhalten individuelle KFZ-Tarife anzubieten oder den Gesundheitszustand von Kranken- und Lebensversicherten über Wearables realtime auszuwerten, werden Internet-of-Things-Anbieter wie Google, IBM Watson oder Cisco für viele Versicherungen entweder zu einer Chance oder zu einem Risiko.
von Mario Zillmann, Lünendonk
Den Möglichkeiten der Kombination von Sensordaten mit Versicherungsprodukten sind im IoT-Umfeld praktisch keine Grenzen gesetzt. Daher ist es nur eine Frage der Zeit, bis datenbasierte Versicherungsprodukte in einigen Sparten die bisherigen statischen Produkte und das angestammte Konzept der Versicherungsgemeinschaft ablösen oder zumindest um das individuelle Verhalten erweitern werden.Es ist also viel Bewegung in der Versicherungsbranche und die großen Anbieter wie die Allianz, Axa oder HUK haben mit Digitalisierungsoffensiven reagiert. Gerade die Allianz verordnet sich derzeit einen radikalen Komplettumbau der gesamten Organisation mit dem Ziel, sowohl bestehende Geschäftsmodelle komplett zu erneuern als auch digitale Innovationen zu entwickeln und erfolgreich zu vermerkten.
Digital Readyness wird hergestellt
Sehr komplexe, dezentrale und somit starre Organisationsstrukturen und IT-Prozesse haben schnelle Veränderungs- und Anpassungsprojekte in der Vergangenheit oft behindert. Das hängt natürlich auch mit den Geschäftsmodellen von Versicherungen zusammen. So ist im Bereich der Lebensversicherungssparten mit von Jahrzehnte laufenden Verträgen eine Migration der selbst entwickelten Mainframe-Applikationen mit sehr hohem Aufwand und komplexen Anpassungen der Geschäftsprozesse verbunden. Die Folge waren technisch völlig veraltete Plattformen, die eine Integration moderner digitaler Lösungen aus dem Cloud- und Mobile-Umfeld nur sehr eingeschränkt zuließen.
Dies führte zu einer kritischen Lagerbildung von Fachbereichen und IT. Während die Fachbereiche mit neuen Ideen und fachlichen Anforderungen zur Erweiterung der bestehenden oder zur Anschaffung zusätzlicher IT-Systeme auf die IT zukamen, trat die IT häufig auf die Bremse, weil die technischen Voraussetzungen nicht gegeben waren. Hinzu kommt, dass Versicherungen traditionell eine sehr hohe IT-Eigenleistungstiefe hatten, was dazu führte, dass die IT-Systeme sehr geschlossen waren und daher externe Anwendungen wie Standardsoftware nur mit hohem Aufwand integriert werden konnten.
Daher wurde besonders seitens der großen Versicherungsunternehmen ein großer Druck auf den IT-Bereich aufgebaut, die IT-Systeme so zu modernisieren, dass ein einheitlicher Blick auf den Kunden möglich ist und digitale Versicherungsservices mit den bisherigen Vertriebswegen zusammenspielen. Folglich haben die großen Versicherungsunternehmen in den letzten Jahren vor allem in die Modernisierung ihrer IT-Landschaften investiert, mit dem Ziel einer deutlichen Zentralisierung, Standardisierung und Konsolidierung. Software-Altsysteme und Eigenentwicklungen auf Anwendungsebene wurden abgeschafft und vielerorts auf SAP-Standardsoftware migriert. Entsprechend hoch waren die Investitionen in die IT, auch verbunden mit einem Anstieg der Zusammenarbeit mit externen Beratungs- und IT-Dienstleistungsunternehmen.
Versicherungsbranche gehört zu den Top-Kunden der IT-Branche
Diese Investitionen haben sich auch in den Ausgaben für externe IT-Dienstleister niedergeschlagen, und Versicherungen haben in den vergangenen Jahren die Zusammenarbeit mit IT-Beratungs- und IT-Serviceunternehmen erhöht. Die Gründe dafür waren eine Zunahme an IT-Projekten zur Steigerung der Effizienz in den Prozessabläufen sowie zur Entwicklung neuer digitaler Services und Vermarktungskanäle. Laut aktueller Lünendonk-Studie „Der Markt für IT-Beratung und IT-Service in Deutschland“ entfallen durchschnittlich 8,6 Prozent der Umsätze der deutschen IT-Dienstleistungsunternehmen auf Kunden aus der Versicherungswirtschaft. Damit nimmt die Versicherungswirtschaft den vierten Platz der wichtigsten Kundenbranchen ein.
Diejenigen IT-Dienstleister, die ihren Schwerpunkt in der IT-Beratung, Anwendungsentwicklung und Systemintegration haben, erzielen mit Versicherungskunden sogar einen Umsatzanteil von 10,6 Prozent im arithmetischen Mittel. Damit ist die Branche die drittwichtigste Kundenbranche für IT-Beratungen. Insbesondere die Entwicklung von Anwendungen zur digitalen Kundeninteraktion und deren Integration in die Backend-Prozesse stehen dabei im Fokus, ebenso Effizienzthemen wie Automatisierung und Modernisierung der Anwendungslandschaft.
IT-Gesamtmarkt ist aufgrund Digitalisierung sehr positiv
Aufgrund der Tatsache, dass nahezu alle Branchen in die Erweiterung bestehender Produkte und Services um digitale Komponenten oder in komplett neue digitale Geschäftsmodelle investieren, steigt die Anzahl der IT-Projekte beziehungsweise die Zahl der Projekte der Fachbereiche mit IT-Bezug stark an. Entsprechend positiv hat sich die IT-Dienstleistungsbranche im Jahr 2015 laut aktueller Lünendonk-Liste entwickelt.
So haben die von Lünendonk untersuchten IT-Beratungs- und Systemintegrations-Unternehmen im Jahr 2015 ihre Umsätze im Durchschnitt um 9,1 Prozent steigern können. Das starke Wachstum der IT-Beratungs- und Systemintegrations-Unternehmen resultiert aus Sicht von Lünendonk vor allem aus der hohen Nachfrage der Kunden nach externer Unterstützung bei digitalen Transformationsprojekten. Damit verbunden ist auch ein enorm hoher Bedarf der Kundenunternehmen an externen IT-Beratern, insbesondere zu Fachthemen wie Cloud, End-to-End-Integration, Mobile, Security oder Big Data Analytics.
Spannungsfeld aus Digital Readyness und Innovationsdruck
Weiterhin richten derzeit nahezu alle großen Kundenunternehmen ihre Unternehmensstrategien neu aus und passen ihre Geschäftsmodelle und Prozesse dem digitalen Wandel an. Bei der Umsetzung von Digitalisierungsstrategien sind Services wie IT-Strategieberatung, Anwendungsentwicklung und Testing zurzeit von den Kunden besonders gefragt. Eine Art Revival erfährt gerade auch in Versicherungen das Thema IT-Architektur, also die Neuausrichtung der Technologieplattformen und der IT-Organisation.
Moderne digitale Lösungen, wo persönliche Kundendaten erhoben und gespeichert werden, erfordern vor allem neue Sicherheitskonzepte und deutlich mehr Performance in Sachen Ausfallsicherheit und Verfügbarkeit.
Die Versicherungsbranche ist derzeit auf dem richtigen Weg und hat den disruptiven Einfluss der Digitalisierung auf ihr Geschäftsmodell erkannt. Wichtig wird in Zukunft jedoch sein, welche Versicherungen es schaffen, das Spannungsfeld aus Modernisierung ihrer Prozesse und Organisationsstruktur, der Einführung digitaler Lösungen in Vertrieb, Marketing und Service und der Entwicklung von digitalen Innovationen im Zusammenhang mit dem Internet of Things zu bewältigen.aj
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