ANWENDUNG29. August 2014

Praxis: Migration von SESAM nach Oracle beim Münchener Verein

Quelle: mkabakov/bigstock.com
Quelle: mkabakov/bigstock.com
Das Versicherungsgeschäft ist extrem von Daten getrieben. Versicherer benötigen zeitnah exakte Daten über ihren Versicherungsbestand, um Entscheidungen zu treffen, die Erfolgsaussichten von Aktionen zu berechnen und durchgeführte Maßnahmen bewerten zu können. Wenn eine Datenbank in die Jahre gekommen ist, wird es zeit auf ein modernes System umzusteigen. Praxisbericht: Wie der MÜNCHENER VEREIN von SESAM auf Oracle migrierte.

Die Statistiklösung beim MÜNCHENER VEREIN war über Jahrzehnte gewachsen und basierte auf einer SESAM-Datenbank auf einem Mainframe der Firma Fujitsu mit dem Betriebssystem OSD . Die Datenbank enthält alle Bestandsdaten der Versicherung und gibt eine Übersicht über die Verträge. Für die Erstellung von Statistiken wurden in einer Eigenentwicklung Daten aus der SESAM-Datenbank über Cobol-Programme an ein Allgemeines Statistik System, kurz ASS, weitergegeben.

Kurzportrait: MÜNCHENER VEREIN Versicherungsgruppe
Die MÜNCHENER VEREIN Versicherungsgruppe wurde 1922 als genossenschaftliche Selbsthilfeeinrichtung für Handwerk und Gewerbe gegründet. Mit Vorsorgelösungen begleitet der MÜNCHENER VEREIN seine rund 650.000 Kunden in allen Lebensphasen. Strategische Zielgruppen sind das Handwerk, die Generation „50Plus“, der Öffentliche Dienst und Verbände sowie gesetzlich Versicherte. Heute beschäftigt der mittelständische Versicherer 750 Mitarbeiter im Innendienst, 350 im Außendienst und kann auf 5.000 Maklerverbindungen verweisen.
Die Cobol-Programme erzeugten (aus technischer Sicht) lesbare Schnittstellendateien um diese mittels ASS-Dienstprogrammen in die ASS-Datenbank zu laden, die sich ebenfalls auf dem Mainframe befand. Dort wurden Daten wiederum durch andere ASS-Programme ausgelesen und als Textdateien bereitgestellt. Diese Dateien wurden dann per Filetransfer auf Client/Server-Systeme verteilt und per Excel weiterverarbeitet. Erst so konnten unternehmensweite und grafisch aufbereitete Berichte erzeugt werden.

Komplex, unflexibel & fehleranfällig

 „Diese Vorgehensweise war kompliziert und unflexibel. Zudem ließ sich mit aktuellen Techniken nicht auf die ASS-Daten am Host zugreifen“, erinnert sich Marko Mahler, Anwendungsentwickler in der Abteilung IT-Qualitätssicherung und Querschnittsysteme. „Wir wollten mit unserem Reporting schneller und flexibler werden, um unseren IT-Kunden mit dem neuen Reporting schnellere Handlungsmöglichkeiten ermöglichen zu können. Aus dem Grund haben wir beschlossen, unsere Statistik-Datenbank auf ein relationales Oracle-System zu portieren, aus dem man dann mit SQL einzelne Tabellen auswählen kann.“

Quelle: thinglass/bigstock.com
Quelle: thinglass/bigstock.com

Erweiterung während einer Migration?

Nachdem der Umstieg der Statistik-Lösung auf Oracle schon begonnen hatte, wurde das Projekt noch erweitert. Der Vertragsspiegel, die Lösung, mit der die Außendienstmitarbeiter des MÜNCHENER VEREIN ihren Vertragsbestand einsehen und verwalten können, sollte in eine Web-Anwendung überführt werden. Die bislang eingesetzte Software wurde nicht mehr gewartet und lief zudem nicht mehr auf Rechnern mit dem Betriebssystem Microsoft Windows 8. Auch in diesem Fall sollte die dahinter liegende Datenbank von SESAM auf Oracle migriert werden. „Das Problem dabei war, dass die Datenbank für den Vertragsspiegel mehr Daten enthält als die Statistik-Datenbank und wir daher für dieses Teilprojekt nicht auf die Ergebnisse des ersten Projektes zurückgreifen konnten“, erklärt Marko Mahler. „Rückblickend wäre es besser gewesen, zuerst den Vertragsspiegel umzustellen, denn so mussten wir viele Daten aus der zentralen Datenbank in zwei Datenbanken überführen und dabei die Konsistenz der Daten sicherstellen.“

MÜNCHENER VEREIN Direktion Quelle: MÜNCHENER VEREIN
MÜNCHENER VEREIN Direktion Quelle: MÜNCHENER VEREIN
Das Entwicklungsteam um Marko Mahler benötigte für das Statistik-Projekt ein Werkzeug, um dem Analysesystem SAP Business Objects Daten für verschiedene Berichte in dem benötigten Format zur Verfügung zu stellen. Während anfangs noch die SESAM-Datenbank auf dem Mainframe als Quelle diente, sollte später mit demselben Werkzeug auch Oracle als Datenquelle genutzt werden können. „Wir haben uns verschiedene Lösungen angesehen, aber am Ende hat nur eine einzige Software unser Anforderungsprofil erfüllt, und das war Talend“, so Marko Mahler. „Fujitsu-Siemens bietet für seine Mainframes nur JDBC als Schnittstelle und Talend war die einzige Datenintegrationslösung mit eingebautem JDBC-Konnektor“. Der Münchener Verein entschied sich daher für die Version Talend Enterprise Data Quality.

Der erste Schritt der Umsetzung

Im ersten Schritt wurde für die Statistik-Lösung die benötigte Datenversorgung zu Oracle mit Talend nachgebaut, dabei ist noch die Sesam-Datenbank Hauptdatenquelle. Mit Talend müssen ETL-Jobs nicht im herkömmlichen Sinne programmiert werden. Stattdessen bietet die Software die Möglichkeit, in einer grafischen Oberfläche definierte Komponenten miteinander zu verbinden. Wenn später ein ETL-Job geändert werden muss, weil beispielsweise die Oracle-Datenbank zur Datenquelle wird, so muss lediglich die entsprechende Komponente ersetzt werden. Die Software erstellt aus den visuell erstellten Jobs dann Java-Code. Dabei entspricht jeder ETL-Job einem Java-Programm. Ein großer Vorteil für das 13-köpfige IT-Team, das über große Java-Erfahrung verfügt.
Der Online-Vertragsspiegel baut bereits auf einer neuen Oracle-Datenbank auf, welche durch Talend befüllt wird. Datenquellen sind auch hier die Sesam-Datenbank, mehrere periphere Systeme der Host-Landschaft sowie die durch Talend aufgebaute Oracle-Datenbank der Statistik-Lösung. Die Außendienstler loggen sich über die Webseite der Versicherung ein und können dann ihren Vertragsbestand komfortabel verwalten, schnelle Auskünfte einholen und über Abfragen Möglichkeiten für Zusatzgeschäft eruieren. Eine Anbindung der unabhängigen Makler ist geplant. Gleichzeitig wird die zugrunde liegende Datenbank zukünftig auch als Basis für Anwendungen wie das unternehmensweite Kundenmanagement (Customer Relationship Management, kurz CRM) genutzt.

Quelle: MÜNCHENER VEREIN
Quelle: MÜNCHENER VEREIN
Bei der Migration der Daten von SESAM auf Oracle konnten allein durch einfache Funktionen wie Constraints in der Oracle-Datenbank zahlreiche Programmierfehler in der alten Datenbank identifiziert und behoben werden. Wenn bei einem Job Fehler auftreten, liefert Talend aussagekräftige Fehlermeldungen, wo die Bean-Connect-Schnittstelle vom Mainframe nur 80 Zeichen auswirft. Die Entwickler können bei jedem Job im entsprechenden Java-Code nach der Ursache suchen und sie direkt beheben. Für Fehler, die nicht direkt nachvollziehbar sind, bietet die Software einen Debug-Modus (mit Haltepunkten) und gegebenenfalls direkt Änderungen am Code durchführen. Da Talend jeden ETL-Job als eigenes Java-Programm anlegt, ist auch die Nutzung externer Job-Steuerungslösungen kein Problem. Der MÜNCHENER VEREIN nutzt als zentrale Steuerungssoftware in seinem Rechenzentrum die Automatisierungsplattform des österreichischen Anbieters Automic. „Die Flexibilität und einfache Bedienung der Talend-Technologie hat uns im Projekt sehr geholfen. Das Datenmanagement durch Talend ist bei uns das Bindeglied zwischen der alten Mainframe-Welt und modernen IT-Systemen“, so Marko Mahler.

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