Reality-Check “KI-Anwendungen 2024”: Wie erfolgreich waren die KI-Implementierungen in der Praxis?
von David Wolf, Fachjournalist
Es dürfte wenig überraschen, dass Künstliche Intelligenz (KI) zum Top-Trend des Jahres 2024 erkoren wurde (hier). Schon längst hat das Thema die Stufe eines Hypes übersprungen. CTOs und CSOs in Unternehmen der Finanzwirtschaft kommen regelmäßig ins Schwärmen, wenn von den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten und potenziell enormen Effizienzgewinnen die Rede ist. KI – hier vor allem als generative KI (GenKI) verstanden – steht auf der strategischen Prioritätenliste ganz oben. Die Finanzbranche hat den Weg einer umfassenden technischen Transformation eingeschlagen und wird ihn so schnell auch nicht wieder verlassen.Aber wo auf diesem Weg befindet sie sich aktuell?
Hierüber streiten sich die Geister. Wie etwa die von Pegasystems, Anbieter einer Lowcode-Plattform. Von ihnen war Anfang 2024 zu lesen, dass die Zeit der KI-Experimente vorbei (zum Beitrag) sei. Exasol, Anbieter von Analytics-Datenbanken, bescheinigte wiederum entsprechenden KI-Projekten auch im ausgehenden Jahr den Status von Experimenten. Der Grund: Unternehmen würden noch viel Zeit und Geld benötigen, um sich KI zu erschließen.
Was stimmt denn nun?
Um diese Frage zu beantworten, schauen wir uns an, was Vertreter der Branche an KI-Projekten 2024 tatsächlich realisiert haben. Dafür haben wir unser Artikel-Archiv bemüht und einige Best Practices gefunden.
Um es vorwegzunehmen: 2024 war nicht mehr nur das Jahr des Herumprobierens und Experimentierens. Es war vor allem das Jahr der Umsetzung! Erste Use Cases sind längst live gegangen.”
HDI Global: Informationen in Echtzeit dank KI
Da ist zum Beispiel die HDI Global (zum Beitrag), ein Versicherer von Konzernen, größeren Unternehmen und Mittelständlern weltweit. Mittels der hauseigenen generativen KI-Lösung „HDI-GPT” gewinnt das Unternehmen Informationen in Echtzeit aus unstrukturierten Daten in Text- oder Bildform. Laut eigenen Angaben profitiert HDI Global dadurch von optimierten Prozessen, während geltende Datenschutz- und Compliance-Vorgaben eingehalten würden.
Mit „HDI-GPT” setzt der Versicherer erstmals auf generative KI zur Transformation der Kernversicherungsprozesse und zur Optimierung von Workflows.”
Die Bayerische: Mit KI zur effizienten Altersvorsorgeberatung
So individuell sich die finanzielle Situation jedes Einzelnen darstellt, so individuell sind auch die Rentenlücken. Um diese zu erkennen und zu schließen, setzt die Bayerische auf generative KI. Konkret geht es um die Aufnahme und Auswertung aller Kundendaten zur individuellen Finanzlage, was generell sehr zeitaufwändig ist.
Nicht mit KI-Unterstützung. Mittels Automatisierung dieses Prozesses und dem Anbieten von KI-generierten, personalisierten Kundenerlebnissen habe man in der Altersvorsorgeberatung Effizienzgewinne von bis zu 65 % erreicht, wie die Bayerische (zum Beitrag) mitteilt.
Union Investment: Künstliche Intelligenz managt Anlagestrategien
Union Investment (zum Beitrag) wiederum hatte Ende 2024 eine der ersten Fondsvermögensverwaltungen auf Basis von Künstlicher Intelligenz in Deutschland zum Laufen gebracht. Dafür setzt das Unternehmen auf eine Kombination von menschlicher und Künstlicher Intelligenz im Investmentprozess. Kundenpräferenzen in Bezug auf Risikoneigung, Assetklassen, alternative Anlagen oder Regionen können so berücksichtigt werden. Das positive Fazit von Union Investment: Nur mittels KI könnten unterschiedliche Anlagestrategien in solch großem Umfang gemanagt werden.
Helaba Invest: Verarbeitung von Eingangsrechnungen durch Intelligent Document Processing
Nächstes Beispiel: Die Helaba Invest Kapitalanlagegesellschaft (zum Beitrag) automatisierte 2024 mit einem KI-Tool den Eingang von Rechnungen, die Marktakteure den einzelnen Investmentfonds in Rechnung stellen. Zum Einsatz kommt die cloudbasierte Technologie Intelligent Document Processing (IDP). Diese nutzt trainierte Algorithmen, mit deren Hilfe sich digitale Dokumente und eingescannte Papierdokumente verarbeiten lassen.
IDP kann menschliche Fähigkeiten nachahmen, wie etwa das Identifizieren, Verarbeiten und Kategorisieren eingehender Dokumente. Für die Helaba Invest bedeutet diese Lösung zum einen einen Zeitgewinn durch effiziente und schlanke Prozesse, zum anderen Transparenz und durchgängige Kontrolle innerhalb eines digitalen Rechnungslaufs.
Debeka: Dank KI eingehende E-Mails von Kunden klassifizieren
Auch die Versicherungsgruppe und Bausparkasse Debeka (zum Beitrag) hat sich 2024 KI-Innovationen verschrieben und in Mehrwerte für Kunden umgesetzt. Zukünftig sortiert und bearbeitet sie E-Mails von Kunden mit Künstlicher Intelligenz. Dieser Schritt war notwendig geworden, da nach eigener Aussage über 60.000 E-Mails pro Woche auf den Kundenservice einprasseln.
Die KI unterstützt dabei einerseits bei der Bewältigung der Menge eingehender E-Mails, andererseits bei einer schnellen und präzisen Klassifizierung dieser Nachrichten, da deren Inhalte sehr unterschiedlich ausfallen. Standardisierte Textbausteine für die Beantwortung von E-Mails hätten für mehr Effizienz und Geschwindigkeit im Kundenservice gesorgt.
Nach dem Reality-Check – kommt bald das Jahr der „KI-Exzellenz”?
2025 könnte das Jahr werden, in dem erste implementierte KI-Projekte, vor allem im Bereich generative KI, in größerem Stil ausgerollt und auch in der Breite eingesetzt werden.”
Nach dem Motto: Jedes Jahr ein wenig mehr. Die Chance, sich einen Vorsprung gegenüber der KI-skeptischen Konkurrenz zu erarbeiten, haben KI-freundliche Unternehmen auf jeden Fall. Ob die Expertinnen und Experten aus Finance und Banking und Beratungsunternehmen dann die „KI-Exzellenz” als nächste erstrebenswerte Stufe für 2026 ausrufen werden? Nichts Genaues weiß man nicht. Beim üblichen Tenor des Mahnens und Warnens vor dem Anschlussverlust im Wettbewerb dürften die Chancen dafür allerdings nicht schlecht stehen.David Wolf, Journalist
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