IT-ANWENDUNG22. Oktober 2024

MLP bietet Kryptowährungen – wpNex der dwpbank bildet die technologische Basis: Der IT‑Anwenderbericht

Die dwpbank hat mit ihrer Plattform wpNex den Weg in das Krypto-Geschäft eingeschlagen und ermöglicht es Banken, ihren Kunden den Handel mit digitalen Vermögenswerten anzubieten. Im Interview erklären Dr. Philipp Wagner, Leiter Digitale Assets bei der dwpbank, und Carsten Soßna, IT-Vorstand von MLP, welche Herausforderungen und Chancen dieser Schritt mit sich brachte und wie die Plattform im Zusammenspiel mit etablierten Bankstrukturen funktioniert.

Glüpcklich mit wpNex: Carsten Soßna, Vorstand Ressort IT bei MLP Banking und MLP Finanzberatung
Carsten Soßna, Vorstand Ressort IT bei MLP Banking und MLP FinanzberatungMLP

Herr Soßna, warum war für Sie die Einführung des Bitcoin-Handels über Ihre Nutzerkonten ein bedeutender Meilenstein im Retailgeschäft?

Unsere Kundinnen und Kunden haben zunehmendes Interesse am Handel mit digitalen Werten, weshalb wir ihnen diesen nun als eine der ersten Privatbanken in Deutschland anbieten. In unserem MLP Financial Home sind Kryptowährungen eine attraktive Erweiterung des vorhandenen umfangreichen Angebots im Vermögensmanagement. Der Handel mit Kryptowährungen ist dabei für uns der erste Schritt in die Welt der Digital Assets auf Basis der Blockchain-Technologie und …

… wir gehen davon aus, dass solche digitalen Vermögenswerte in Form von Wertpapieren künftig weiter an Bedeutung gewinnen werden …”

… was natürlich auch gravierende Veränderungen in den Abwicklungsprozessen sowie neue Anforderungen an die IT-Infrastruktur mit sich bringt.

Was waren die Gründe für die Zusammenarbeit mit der Deutschen WertpapierService Bank (dwpbank) und die Entscheidung für die Plattform wpNex?

Unsere Kundinnen und Kunden sollen bei MLP alle Finanzlösungen aus einer Hand erhalten. Da das Thema Kryptowährungen und digitale Assets für viele unserer Kundinnen und Kunden interessant ist, möchten wir ihnen diese Dienstleistung als Teil unseres umfassenden Portfolios anbieten. Die dwpbank verfügt in diesem Bereich über eine fundierte Expertise und ist damit ein wertvoller Partner, um unseren Kundinnen und Kunden ein sicheres und komfortables Kryptoerlebnis zu ermöglichen. Auf technischer Ebene waren für uns zwei Komponenten entscheidend: zum einen die Möglichkeit, ein individuelles Kunden-Frontend für den Kryptowährungshandel gestalten zu können, das nahtlos in unser bestehendes MLP Financial Home integriert ist und zum anderen die Nutzung der neuen Abwicklungsplattform wpNex inklusive der Anbindung an die Partner für Verwahrung und Handel.

Welche regulatorischen Voraussetzungen mussten erfüllt werden, um dieses neue Angebot zu ermöglichen?

Aufgrund der hohen Komplexität des Themas Kryptohandel waren enge Abstimmungen mit der BaFin erforderlich.”

Diese führten zu einem erforderlichen Wechsel des Vertragsmodells: So ist nun zur Verwahrung der digitalen Assets ein Vertrag zwischen Krypto-Verwahrer und Kunde notwendig. Wegen des Modellwechsels und der damit einhergehenden neuen Vertragsbestandteile mit unseren Dienstleistern wurden zusätzliche Anforderungen an die Legitimation von Kundendaten gestellt. Hierfür haben wir ein unkompliziertes und zeitsparendes Verfahren etabliert, das ohne eine komplett neue Legitimation auskommt.

Carsten Soßna, IT-Vorstand bei MLP
Carsten Soßna verantwortet seit September 2023 sowohl bei der MLP Banking AG (Website) als auch bei der MLP Finanzberatung SE als Vorstand das gesamte Ressort IT. Dies umfasst die Verantwortung über die gesamte Infrastruktur, Anwendungen und Banksysteme. Hierzu gehört der IT-Betrieb, aber auch die Neu- und Weiterentwicklung und das Anstoßen neuer Projekte und der Neueinkauf. Nach seinem Abschluss an der Fachhochschule der Deutschen Bundesbank in Hachenburg startete der Diplom-Betriebswirt 1995 als Sachbearbeiter in der Landeszentralbank Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt seinen beruflichen Werdegang. Bereits 1997 wechselte er zu MLP, wo er schnell leitende Funktionen in den Bereichen IT/Organisation sowie Konto und Wertpapierabwicklung übernahm. Ab 2017 war er Bereichsleiter IT in der MLP Banking AG sowie MLP Finanzberatung SE, bis er im September 2023 zum Vorstand berufen wurde.

Und welche technischen?

Oberste Priorität hat für uns das positive Kundenerlebnis durch die Gewährleistung von Effizienz, Transparenz und Performance. Um eine effiziente Beantragung zu ermöglichen, haben wir eine rein digitale Antragsstrecke etabliert, die Optimierungen in den Backendprozessen sowie der Legitimation erforderlich machte.

Die regulatorischen Anforderungen erhöhten zusätzlich die technische Komplexität des Projekts: So mussten nicht nur wpNex, sondern auch Systeme weiterer Vertragspartner angebunden werden.”

Insgesamt ist es gelungen, das neue Angebot transparent und performant in alle bestehenden Frontend- und Backendsysteme zu integrieren.

Welche Herausforderungen traten bei der Integration der Plattform wpNex in Ihre Infrastruktur auf?

MLP musste neue technische Komponenten aufbauen und diese in die bestehende Systemlandschaft integrieren. Dies betraf sowohl die Infrastruktur als auch den Aufbau von Knowhow in der Umsetzung der genutzten Technologien. Zudem wurde ein 24/7-Support etabliert, um den Gegebenheiten am Kryptomarkt gerecht zu werden.

Gab es Funktionen, die Ihnen besonders wichtig waren?

Ein wesentliches Ziel war die Automatisierung von Prozessen von der digitalen Beauftragung über die Antrags- bis hin zur Kündigungsstrecke. Eine Abwicklung für die Kunden in kürzester Zeit ist dabei sehr wichtig. Darüber hinaus haben wir steuerliche Anforderungen an die Kunden berücksichtigt. Wichtig war uns zudem, einen schlanken Prozess für die Aufnahme neuer digitaler Assets in der Zukunft zu schaffen.

Und wie wird das neue Angebot von Ihren Kundinnen und Kunden angenommen?

Die bisherigen Reaktionen waren durchweg positiv und auch die Transaktionszahlen entsprechen unseren Erwartungen.

In den kommenden Wochen und Monaten werden wir das neue Angebot noch sichtbarer machen und unsere Kundinnen und Kunden weiter für den Kryptohandel über das MLP Financial Home begeistern.”

Verantwortet wpNex: Dr. Wagner, dwpbank
Dr. Wagner, Leiter Digitale Assets Deutschen WertpapierService Bankdwp bank

Herr Dr. Wagner, was hat die dwpbank 2022 veranlasst, in das Kryptogeschäft einzusteigen und eine Plattform für digitale Vermögenswerte zu entwickeln?

Zunächst vor allem der Blick auf den Markt und die stetig steigende Nachfrage der Anlegerinnen und Anleger nach alternativen Investmentmöglichkeiten. Hier dominiert insbesondere der Bitcoin als Währung mit der höchsten Nachfrage und Marktkapitalisierung. Laut aktuellen Erhebungen der DZ Bank und Bloomberg lag diese im April 2024 bei 1.250 Milliarden US-Dollar und damit deutlich vor Ether mit 372 Milliarden US-Dollar.

Eine aktuelle Umfrage von Bitpanda und Yougov im Juli 2024 ergab zudem, dass elf Prozent der 2.000 Befragten bereits Kryptowährungen besitzen und 15 Prozent eine Investition im nächsten Jahr planen – Millennials und Generation Z sind hier deutlich aufgeschlossener als Anleger, die vor 1979 geboren wurden.”

Eine weitere Studie von KPMG und BTC-Echo zeigt darüber hinaus, dass Anleger von Krypto-Assets zunehmend mittel- und langfristig denken. Insbesondere die über 45-Jährigen wollen damit für ihre Rente vorsorgen und ihr Portfolio diversifizieren. Fast alle glauben an eine steigende Gesamtmarktkapitalisierung von Kryptowerten bis 2030. Immer mehr Digital-Asset-Investierende suchen dabei nach Möglichkeiten, klassische wie digitale Assets auf einer Plattform zu handeln.

Gerade hier können etablierte Banken punkten, wenn sie ihren Kundinnen und Kunden neben den traditionellen Assets auch die Welt der digitalen Assets mit einer guten Customer Journey zugänglich machen. Im Gegensatz zu den frühen „Krypto-Enthusiasten“ ist für erfahrene Anlegerinnen und Anleger ein Angebot von Kryptowährungen neben dem Wertpapierdepot attraktiv. Wollen Institute hier nicht weiter Geldabflüsse und Marktanteile an Kryptobörsen und Neobroker verlieren, müssen sie sich mit einem Digital-Asset-Angebot auseinandersetzen. Um interessierte Nutzer zu aktivieren, ist der Mehrwert eines zentralen Zugangs zu allen Anlageklassen nicht zu unterschätzen.

Und genau das war unsere entscheidende Motivation bei der Entwicklung unserer Plattform für digitale Assets „wpNex“: Retailbanken ein integriertes Angebot zur Verfügung zu stellen, mit dem sie ihren Kundinnen und Kunden Kryptowährungen in einem einheitlichen und sicheren Rahmen zugänglich machen können. So können sie ohne weitere Geldtransaktionen in der gewohnten Umgebung des Online-Bankings ihrer Hausbank in Kryptoassets investieren. Dies schafft einen sofortigen Wiedererkennungswert, Vertrauen und Sicherheit. Hier kommt den Banken ihr Vertrauensvorsprung zu Gute.

Bisher gab und gibt es in diesem Bereich nur eine reduzierte Auswahl an ausgereiften und regulierten Angeboten.”

Mit unserer Plattform wpNex erhalten etablierte Institute einen zentralen Zugang zu Börsen, Verwahrung und Abwicklung – ohne selbst langwierige und aufwändige Projekte stemmen zu müssen.

Dr. Phillip Wagner, Leiter Digitale Assets Deutschen WertpapierService Bank
Dr. Phillip Wagner ist Leiter Digitale Assets bei der Deutschen WertpapierService Bank AG (Website) in Frankfurt am Main, einem führenden Dienstleister für Wertpapierservices. Drei Viertel aller Banken in Deutschland haben ihre Wertpapierprozesse an die dwpbank ausgelagert. Seit Anfang 2022 beschäftigt er sich für die Bank mit digitalen Assets und tokenisierten Finanzprodukten und verantwortet die Entwicklung von wpNex, die Plattform für digitale Vermögenswerte. Zuvor begleitete der promovierte Physiker als Business Analyst den Bereich Transformation bei der HSBC, war Manager bei Accenture Financial Services und als Leiter Digitale Identitäten bei einem Beratungsunternehmen für den öffentlichen Sektor tätig.

Wie haben Sie wpNex entwickelt? Was ist die technische und programmiertechnische Grundlage gewesen?

Da unsere Kernkompetenz in klassischen Wertpapierservices liegt, konnten wir bei der Entwicklung unserer Digital Asset Services gut auf unser umfassendes Detailwissen im Post-Trade-Segment zurückgreifen.

Unsere modulare Wertpapierplattform WP3 war daher die ideale technische Basis, um Banken eine einfache Integration auch von wpNex und neuen Produktangeboten in ihre Regelprozesse zu ermöglichen.”

Entscheidend bei der Entwicklung unserer Plattform war uns, die Anforderungen der Institute von Anfang an mitzudenken und jederzeit flexibel und frühzeitig auf neue Entwicklungen im Kryptomarkt reagieren zu können. Der Kauf, die Verwahrung und der Verkauf einer Kryptowährung wie Bitcoin erschienen uns als die geeignete Start-Lösung mit dem höchsten Mehrwert für den Retailmarkt.

Um schnell Erfahrungen zu sammeln und zur Marktreife zu gelangen, hatten wir uns entschieden, im Rahmen des Pilotprojekts mit MLP ein MVP (Minimum Viable Product) zu entwickeln.”

Zwischen dem offiziellen Launch im Juni 2024 und der ersten erfolgreichen Bitcoin-Transaktion unter Laborbedingungen im Dezember 2022 gab es noch eine mehrstufige Testphase – zunächst mit MLP-Mitarbeitern und später mit einem größeren Kundenkreis. Dieser Zwischenschritt brachte uns wertvolle Erkenntnisse über verschiedenen Nutzungsszenarien und die Möglichkeit in der Prozesskette wo nötig nachzujustieren. So konnten wir zum Start einen reibungslosen Abwicklungsprozess für MLP und deren Kunden garantieren. Das Ergebnis ist die jetzt verfügbare Plattform, die Finanzinstitute vollumfänglich nutzen können und mit Blick auf Assets und Kunden beliebig skalierbar ist.

Und wie haben Sie es geschafft, einen schnellen Markteintritt hin zu bekommen?

Von der strategischen Entscheidung im Jahr 2021 bis zum marktreifen skalierbaren Angebot vergingen lediglich zweieinhalb Jahre.”

Diese zügige Umsetzung war insbesondere dank einer kundenorientierten, agilen und fokussierten Arbeitsweise möglich.

Wir hatten zu Beginn ein klar definiertes Zielbild, dass sich an den Kundenbedürfnissen und Marktnachfrage orientierte: Bitcoin kaufen, halten und verkaufen war daher der erste Use Case, den wir auf der Plattform abbilden wollten. So waren die damit verbundenen End-2-End-Prozesse klar abgesteckt. Und auch wenn sich das neue Geschäftsfeld digitale Vermögenswerte von Aktien und Fonds unterscheidet, konnten wir viele wesentliche Prozessschritte bei der Umsetzung von Transaktionen auf der Papier- und Geldseite in die „neue“ Welt adaptieren. Die enge und frühzeitige Kollaboration aller relevanter Fachabteilungen von Recht über Compliance bis hin zum Kundenmanagement war dabei ein wichtiger Baustein. Aber nicht nur die Nutzung interner Synergien und IT-Ressourcen, sondern auch die Zusammenarbeit mit unseren regulierten Partnern, dem Bankhaus Scheich als Market-Maker und Tangany für Börsenanbindung und Verwahrung ermöglichten uns letztlich die schnelle Marktreife.

Was war das Schwierigste bei der Entwicklung?

Ganz klar: Die nötige Flexibilität zu bewahren und uns nicht vom volatilen Kryptomarktumfeld von unserem Ziel abbringen zu lassen.”

Anfangs waren auch noch nicht alle Rahmenbedingungen klar definiert. Daher mussten wir während der Entwicklung jederzeit anpassungsfähig sein. Das ist uns gelungen, indem wir die IT-Entwicklung der fachlichen Prozesse standardisiert und modular umgesetzt haben.

Nicht zu unterschätzen war die regulatorische Seite. Klarheit über die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Krypto-Verwahrgeschäft war die Voraussetzung für die Umsetzung der Plattform. Das Kreditwesengesetz (KWG) unter anderem zur Kryptoverwahrung und inzwischen auch die EU-weite MiCA-Verordnung über „Markets in Crypto-Assets“ geben hierbei maßgeblich den regulatorischen Rahmen vor.

Die Herausforderung bestand darin, diese allgemeinen Verordnungstexte auf den konkreten Anwendungsfall herunterzubrechen. Auch hier standen wir in engem Austausch mit der Bafin und unseren Partnern.”

Wie läuft eine Transaktion bzw. der Handel technisch gesehen über wpNex ab?

Da wpNex an unsere bestehende Wertpapierplattform angebunden ist, müssen die Kundeninstitute selbst kaum eine neue Infrastruktur aufbauen.

Über eine technische Schnittstelle erhalten wir alle erforderlichen Informationen. Alle Prozesse zu digitalen Assets laufen dann automatisiert End-2-End ab. wpNex orchestriert dabei das Orderrouting zum Market Maker, übernimmt die Bestandsführung und die Synchronisation mit dem Kryptoverwahrer.”

Für die Geldbuchung und den Kundenbeleg werden wieder Standardprozesse aus dem Wertpapiergeschäft genutzt. Das heißt, kauft der Kunde Bitcoins, werden diese auf ein bei der dwpbank geführtes Kryptokonto gebucht und direkt mit dem entsprechenden Geldkonto verknüpft. So können MLP-Kunden ihre Aufträge in Euro-Währung ohne vorherige Überweisung auf ein separates Geldkonto erteilen. Das Pre-Funding der Anlegerin oder des Anlegers zu einer Kryptobörse wird damit obsolet. Zudem können die Kundin oder der Kunde alle traditionellen und digitalen Vermögenswerte an einem zentralen Ort verwalten, ohne verschiedene Anbieter und Plattformen nutzen zu müssen. Wir gehen davon aus, dass mittelfristig ein traditionelles Wertpapierdepot und ein Kryptokonto nebeneinander existieren werden.

Welche Weiterentwicklungen der Plattform sind in naher Zukunft geplant? 

Für die Akzeptanz und den Erfolg eines Digital Asset-Angebots ist es unerlässlich, nah am Markt und an der Nachfrage zu sein und das Spektrum für die Anlegerinnen und Anleger sukzessive zu erweitern. Mit unserer modularen, Asset-agnostischen und interoperablen Plattform können wir hier optimal auf zukünftige Entwicklungen und Kundeninteressen in diesem neuen Segment reagieren. Ab Herbst 2024 werden wir mit Ether, der zweitgrößten digitalen Währung, den nächsten Coin auf der Plattform anbieten und damit auch gleichzeitig die Basis für ERC-20-Token schaffen. Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit Krypto-Wertpapieren. wpNex fungiert hier als technologische Brücke, indem wir traditionelle Assets über neue Blockchain-Infrastrukturen managen.

Herr Dr. Wagner, Herr Soßna – vielen Dank für das Interview.aj

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