AKTUELL30. August 2024

Was deutsche Experten für Vermögensverwaltung bei ihrer Arbeit frustriert

Avaloq

Der Wealth Industry Report von Avaloq (Website) hat gezeigt, was Experten für Vermögensverwaltung in Europa und Asien in ihrem Alltag frustriert. Die Erkenntnis: Wenn es darum geht, die Vermögensverwaltungs-Spezialisten durch automatisierte Systeme zu unterstützen und sie von manuellen Routinetätigkeiten zu befreien, gibt es offenbar noch viel Luft nach oben. Der Artikel zeigt sechs Bereiche, in denen sich speziell Esperten für  Vermögensverwaltung aus Deutschland mehr Entlastung wünschen.

von Andreas Diener, Head Business Strategy & Offering Wealth Products bei Avaloq

Problem 1: Zu viele verschiedene Systeme für die Beratungsarbeit

Ganz ohne Softwareunterstützung arbeitet heute keiner der befragten Vermögensverwaltungs-Experten in Deutschland mehr. Das Problem ist inzwischen ein anderes: die Vielzahl der Systeme. Darüber beklagen sich der Umfrage zufolge 63 Prozent der Befragten. Dies ist wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass die relative Mehrheit von 42 Prozent es in ihrem Alltag mit vier bis sechs verschiedenen Applikationen zu tun hat, während 37 Prozent regelmäßig mit sieben bis neun Systemen hantieren. 8 Prozent der deutschen Vermögensverwaltungs-Spezialisten geben sogar an, mit mehr als 15 verschiedenen Software-Applikationen jonglieren zu müssen. Diese historisch gewachsenen und zunehmend unübersichtlichen Applikationslandschaften sind problematisch, weil sie aus Anwendersicht zu unnötiger Komplexität führen. Der Wechsel zwischen Applikationen erfordert oft manuelle Schritte, ist damit ineffizient und eine Quelle potenzieller Fehler.

Problem 2: Onboarding und Compliance verursachen Kopfschmerzen

Das Onboarding neuer Kunden ist bei den meisten Beratern eine besonders ungeliebte Aufgabe in ihrem Alltag. Weltweit geben 77 Prozent von ihnen an, dass sie von einer Vereinfachung oder gar Automatisierung des Onboarding-Prozesses sehr deutlich profitieren würden. Hier zeigt sich zudem, dass der Onboarding-Prozess typischerweise umso langwieriger wird, je vermögender der neue Klient ist.

  • Bei der Beratung von Kunden aus dem Affluent-Segment geben 17 Prozent an, das Onboardings dauere eine Woche, während 33 Prozent sogar bis zu einem Monat benötigen.
  • Diese Zeiträume verlängern sich bei Klienten aus dem High-Net-Worth-Segment weiter: Ein Onboarding von bis zu einem Monat nennen hier 40 Prozent, gefolgt von 24 Prozent, bei denen dies üblicherweise bis zu drei Monate erfordert.
  • Im Ultra-High-Net-Worth-Segment vergeht in der Regel noch etwas mehr Zeit. Hier geben 38 Prozent der deutschen Berater an, der Prozess benötige bis zu einem Monat, 24 Prozent sprechen von bis zu drei Monaten, und für 14 Prozent dauert der Onboarding-Prozesse im UHNW-Segment sogar mehr als 6 Monate.

So wundert es nicht, dass 53 Prozent der deutschen Experten für Vermögensverwaltung  den manuellen Aufwand beim Onboarding beklagen und sich mehr Automatisierung wünschen. Konkrete Aufgaben, die sie nach eigenen Angaben besonders viel Zeit kosten, sind: Know-your-Customer-Informationen zusammenzustellen (53 Prozent), Kundenkonten und ‑strukturen einzurichten (50 Prozent) sowie die Identität neuer Kunden zu verifizieren (42 Prozent).

Problem 3: Beratungslösungen brauchen bessere Usability

Andreas Diener, Avaloq

Andreas Diener ist Head Business Strategy & Offering Wealth Products bei Avaloq. Zuvor war er als Business Architect und Chief Product Owner Digital Wealth Management für Vontobel in der Schweiz tätig. Dem gingen unter anderem Positionen bei der Deutschen Bank (Head of Strategy & Business Development WM EMEA) und bei Credit Suisse (zuletzt als Expert Project Manager Digital Private Banking, PB APAC) voraus.

Einerseits bremst die Notwendigkeit, im Alltag eine Vielzahl von Werkzeugen einzusetzen, die Vermögensverwaltungs-Experten. Andererseits sind die Systeme längst nicht immer daran ausgerichtet, was sie sich für ihre Arbeit wünschen und was sie brauchen. Zwei Drittel aller Befragten in Deutschland (66 Prozent) finden die Navigation ihrer Applikationen unklar beziehungsweise nicht intuitiv. Entsprechend beklagen auch 39 Prozent, ihre Systeme enthielten zu viele Funktionen, die sie selbst gar nicht benötigen. Zudem gibt fast die Hälfte der Befragten (47 Prozent) an, es sei schwierig, in ihren Systemen die benötigten Informationen zu finden. Eine positive Einschätzung zu den aktuellen Möglichkeiten der softwaregestützten Informationsbeschaffung gibt es nur von 39 Prozent. 26 Prozent empfinden es zudem als Nachteil, dass es sie viel Zeit kostet, den Umgang mit ihren Tools zu erlernen. Was Vermögensverwaltungs-Experten für ihren Alltag brauchen, ist eine bessere Usability.

Problem 4: Applikationen eignen sich nicht für das Kundengespräch

Die mangelnde Usability von Applikationen ist nicht nur für den internen Gebrauch der Beratungssysteme ein Problem, sondern schränkt auch die Möglichkeiten ein, sie gemeinsam mit dem Klienten im Kundengespräch einzusetzen. Aktuell nutzt nur die Hälfte der befragten deutschen Vermögensberater ihre Beratungssysteme und ‑applikationen direkt im Kundenmeeting. 68 Prozent derjenigen, die ihre Beratungsgespräche noch ohne Applikationsunterstützung führen, würden dies in Zukunft aber gern tun.

Die bisher wichtigsten Hinderungsgründe: 69 Prozent geben an, die Nutzeroberfläche sei für den Kundenkontakt ungeeignet, und 62 Prozent finden, ihre Beratungssysteme seien zu verwirrend oder zu anspruchsvoll, um sie gemeinsam mit Klienten zu verwenden. Dies ist so bedeutsam, weil zugleich 73 Prozent der Berater der Meinung sind, die Akzeptanz für einen Investmentvorschlag sei höher, wenn sie ihn tatsächlich gemeinsam mit dem Klienten betrachten und ihn bei Bedarf gleich anpassen können. Für den internen wie für den externen Einsatz wünschen sich Vermögensverwaltungs-Experten also Beratungssysteme, die für sie einfacher handhabbar sind, die sie effizienter unterstützen und die die Einbindung von Klienten gestatten.

Problem 5: Das Erstellen von Investmentvorschlägen als Zeitfresser

Einen Anlagevorschlag zu erstellen, braucht Zeit – oft zu viel Zeit. 18 Prozent der Berater sehen hier einen besonders großen und 41 Prozent zumindest einen beachtlichen Zeitfresser in ihrem Alltag. Dabei sind 73 Prozent der Meinung, dass ihre bestehende Beratungsapplikation sie bei dieser Aufgabe nicht sonderlich gut unterstützt, weil es in diesem Prozess zu viele einzelne Schritte gibt. 95 Prozent sähen in umfassenderen Datenanalysen eine erhebliche oder zumindest gewisse Verbesserung für ihre Arbeit, und 95 Prozent würden fortschrittlichere Datenvisualisierungsmöglichkeiten begrüßen.

Auch automatische Zusammenfassungen von Klientengesprächen würden Berater entlasten – 58 Prozent betrachteten dies als eine große und 39 Prozent zumindest als eine gewisse Verbesserung für ihre Arbeit. Insgesamt 82 Prozent sähen es zudem positiv, wenn ihr Beratungssystem ihnen eine Next-best-action zu einem spezifischen Klienten vorschlüge. Auch ein automatisches Portfolio-Monitoring für jeden Klienten steht auf dem Wunschzettel der deutschen Vermögensverwaltungs-Experten weit oben. 45 Prozent hielten dies für eine große und 53 Prozent für eine beachtliche Verbesserung in ihrem Alltag.

Problem 6: Mehr Personalisierung und Beratungsqualität – aber wie?

Mehr Digitalisierung und Automatisierung im Beratungsalltag haben positive Effekte in grundsätzlich zwei Dimensionen. Zum einen wird dadurch auch in weniger vermögenden Kundensegmenten die personalisierte Anlageberatung lohnend, trotz geringerer individueller Umsätze mit diesen Kunden. Und zum anderen kann die – oft KI-basierte – Unterstützung durch eine Beratungsplattform es ermöglichen, bestehende Klienten aus den HNW- und UHNW-Segmenten noch zielgerichteter und personalisierter zu betreuen als früher. Die Beratungsqualität steigt. Noch scheitert solch ein Mehr an Personalisierung aber an der Verfügbarkeit von automatisierten und integrierten Beratungsplattformen. Und um auf manuellem Weg ihre Klienten noch stärker personalisiert zu adressieren, fehlt den Anlageberatern schlicht die Zeit. 47 Prozent betrachten den Zeitmangel als starkes oder sehr starkes Hemmnis. Nur 3 Prozent geben an, dass sie gar keinen Zusammenhang zwischen dem Zeitbedarf und ihren Personalisierungsmöglichkeiten wahrnehmen. Ähnlich sieht es aus, wenn es darum geht, personalisierte Angebote zu skalieren. Hier sehen 95 Prozent der Befragten den Zeitmangel als Hindernis.

Fazit: Was Vermögensverwaltungs-Experten konkret brauchen

Die große Mehrheit der Vermögensverwaltungs-Spezialisten wünscht sich mehr Unterstützung, mehr Automatisierung, mehr Entlastung von zeitfressenden Routineaufgaben. Sie möchten mehr Zeit, um ihr Know-how wertschöpfend einsetzen zu können. Nur: Ein Wildwuchs in der Applikationslandschaft, ein Wust an Systemen, hilft dabei nicht sonderlich. Erst eine geeignete Integration aller relevanten Funktionen, Systeme oder Module schafft die Grundlage für eine problemlose Handhabung im Alltag.

Ebenso fordern Vermögensverwalter zu Recht eine gute Usability jedes einzelnen Tools, mit dem sie umgehen, sowie eine simple und schnelle Navigation. Mit Applikationen, die die Informationsbeschaffung unnötig behindern und verkomplizieren, ist wenig gewonnen. Besonders gewünscht sind zudem Systeme, mit denen Anlageberater auch ihre Kunden im direkten Gespräch überzeugen können. Unterstützende Systeme müssen die nötigen Informationen darum nicht nur schnell liefern, sondern auch ansprechend darstellen können. Sehr wertvoll ist eine effiziente Automatisierung bei den besonders ungeliebten – und frustrierenden – Routinetätigkeiten, etwa beim langwierigen Onboarding neuer Kunden oder beim unnötig komplexen Erstellen von Investmentvorschlägen. Last but not least: Moderne, KI-gestützte Systeme schaffen den Spagat zwischen Automatisierung und Personalisierung. Sie entlasten die Anlageberater in ihrem Alltag und erlauben gleichzeitig ein noch höheres Maß an individueller Betreuung – mehr Beratungsqualität durch eine skalierende Personalisierung. Davon profitieren letztlich alle: die Berater, ihre Klienten und sogar ganz neue Kundensegmente.

Über die Avaloq-Studie

Der Wealth Industry Report von Avaloq basiert auf einer Online-Umfrage unter 200 Vermögensverwaltungs-Experten mit mindestens fünf Jahren Branchenerfahrung. Befragt wurden Portfolio-Manager, Relationship-Manager und Anlageberater in Deutschland, der Schweiz, Großbritannien, Singapur, Japan und Hongkong. In Deutschland haben die Befragten zu zwei Dritteln (66 Prozent) High-Net-Worth-Kunden, 55 Prozent geben an, sogar UHNW-Klienten zu haben, das Affluent-Segment spielt bei 47 Prozent eine Rolle, und der Retail-Bereich ist für etwas mehr als ein Drittel (37 Prozent) in Deutschland relevant. Die Umfrage wurde im Februar und März 2023 durchgeführt. Der Report, der zudem Beiträge von BlackRock, Accenture, Synpulse sowie Datos Insights enthält, ist gegen Angabe von Kontaktdaten auf der Avaloq-Website erhältlich.pp

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