Risikoanalyse: Die Macht des Forecasts – und welchen Anteil KI daran hat
Wie die Vorhersage von Kontoverläufen mit KI-basierter Datenanalyse neue Wege bei der Risikoanalyse, Potenzialerkennung und Bonitätsbewertung eröffnet. Dr. Christian Reichmayr (Fino Digital) sortiert, wie KI-basierte Kontodatenanalyse Finanzdienstleistern hilft, Risiken zu minimieren.
von Dr. Christian Reichmayr, CPO Fino Digital
Daran, dass Künstliche Intelligenz für Finanzdienstleister besonders interessant ist, dürfte kein Zweifel bestehen. Doch wie kann die IT-Abteilung eines solchen Unternehmens intern für eine Akzeptanz des Themas KI werben? Ganz einfach:… indem sie KI-Algorithmen in Prozesse einbindet, die beispielsweise dem Vertrieb oder der Risikoabteilung messbare Ergebnisse liefern – und damit der Geschäftsentwicklung.”
Ein gutes Beispiel ist das Screening & Forecasting, das zur Potenzial- und Risikoerkennung oder dem Scoring für die Bonitätsbeurteilung angewandt wird, vor allem von Banken und Versicherern. Diese Institute stellen sich im Zusammenhang mit Kreditportfolien die Frage nach den Dimensionen externer Risiken. Die Antworten kann ihnen eine Analyse liefern – und zwar die Analyse von Kundenkonten.
Vom Clustern zur Analyse
Die moderne Kontodatenanalyse erlaubt es, Merkmale von Personen und Geschäftskunden anhand von Kontodaten zu erkennen. Einen Einblick geben etwa die Finanzprodukte, die diese Personen kaufen oder verwenden, sowie die Abonnements bzw. Verträge, die sie abschließen. Gerade die Abos sind ein triviales, aber sehr anschauliches Beispiel: Anhand wiederkehrender Zahlungen an ein und denselben Empfänger realisiert die Technologie, dass es sich um ein Abonnement handelt. Aber auch andere Zahlungsströme lassen sich Kategorien zuordnen, so kann man beispielsweise Konsumausgaben für Urlaub ebenso clustern wie welche für Wohnen. Daraus ergeben sich nicht nur Potenziale für den Kunden, sondern auch wichtige Erkenntnisse für den Versicherungs- oder Bankberater. Die Haushaltsrechnung ist für viele Fragestellungen die Grundlage, also „Was kann sich ein Kunde leisten?“
Bei der Analyse müssen Kontotransaktionen identifiziert, gelesen und verstanden sowie Einnahmen und Ausgaben ihren Elementen zugeordnet werden.”
Das kann oder muss sogar eventuell auch über verschiedene Konten hinweg erfolgen, um die Merkmale der Person zu sammeln, so dass das Ergebnis vollständig wird.
Schwierigkeitsgrade der Analyse
Wer aus der IT kommt, weiß: Basis ist eine objektorientierte Betrachtungsweise, das heißt, es geht um das Zerlegen von Problemstellungen nach Objekten. Als Objekt ist dabei die Beschreibung eines Gegenstands nach Attributen definiert. Auch ein Mensch lässt sich „aus dem Bankkonto heraus“ sehr gut nach Elementen beschreiben. Schließlich hat jeder eine Vielzahl von Verträgen, er oder sie besteht förmlich daraus: Ob Versicherungen, Einkommen, Kinder, Wohnung Mietvertrag, Strom, Gas, Handy, Einkommen, Sparplan – die damit verbundenen Transaktionsdaten beschreiben den Inhaber des Kontos äußerst konkret. Analog lässt sich ein Unternehmen neben Verträgen über Größen wie Cashflow, Mitarbeiterzahl, Kredite, Risiken oder andere Kennzahlen gut beschreiben.
Nun gibt es bei der Analyse solcher Daten unterschiedliche Schwierigkeitsgrade. Eine besonders vielschichtige Herausforderung bei der Datenerkennung stellt die Identifikation und Analyse von Verträgen da. So sind es bis zu tausend Regeln, deren Bewertung darüber entscheiden, ob es sich um einen Vertrag handelt oder nicht. Die schiere Anzahl an Zubuchungen und Abbuchungen sowie die Zahlungsintervalle, unterjährige Veränderungen etc. – all das fließt bei der Erkennung eines Vertrages mit ein. Wie wichtig diese Analyse ist, wird spätestens klar, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass der Mensch, nach finanziellen Gesichtspunkten betrachtet, fast ausschließlich aus Verträgen besteht. Zudem ist nicht nur die Art des Vertrags von Bedeutung – es geht auch um die Frage, wer der Vertragspartner ist.
Quantität ebenso wichtig wie Qualität
Kurzgefasst: Wichtig ist der Zugang zu Daten, diese dann zu erkennen, sie zuzuordnen, zu kategorisieren – sprich zu verstehen – und dann aufzubereiten. Dabei ist neben der Quantität der Daten auch die Qualität der Analyse entscheidend. Unternehmerische Fragestellungen sollten hier im Vordergrund stehen.
Nicht die Frage muss zur Analyse passen, sondern die Analyse muss die Frage beantworten.”
So haben Banken in den letzten 10 Jahren beispielsweise viel Zeit und Geld in sogenannte Haushaltsbücher investiert, die versuchten, bis in die kleinste Verästelung des Konsums zu analysieren. Das hat aber gerade eben nicht die eigentliche Frage „Kann ich mir den Kredit leisten?“ beantwortet.
Während die Objektorientierung der alten Schule bei der Beschreibung endet, helfen die Algorithmen eine Subjektorientierung, also den Miteinbezug des Lebensumfelds, vorzunehmen: Jemand, der laut Kontodatenanalyse ein Pferd unterhält – was beispielsweise durch Transaktionen wie Pferdesteuer oder ähnliches ersichtlich wird –, aber laut Daten keine Pferdeversicherung abgeschlossen hat – auch das offenbaren die Daten –, könnte einen Bedarf an eben solcher Versicherung haben.
Ensemble Learning und Algorithmen
Was das alles mit KI zu tun hat? Nun, diese Erkenntnisse über Bedarfe und Potenziale sind ein Resultat eines komplexen Maschine-Learning-Prozesses, der schon vorher, nämlich mit besagter Kategorisierung und der Identifikation von Regelmäßigkeiten beginnt. Ein wichtiges Instrument dabei ist der Einsatz verschiedener Modelle für die unterschiedlichen Kategorisierungen, die für unterschiedliche Teilbereiche angelernt werden.
Modelle verändern sich über die Zeit, Aspekte kommen hinzu, Verhaltensweisen werden wichtiger, saisonale Effekte werden sichtbar(er) und die KI hilft, sie (schneller) zu erkennen und einzuarbeiten. Experten sprechen auch von Ensemble Learning.”
Algorithmen, die sich gegenseitig ausbessern, kommen analog dazu auch bei der Erkennung von Variablen für die Bewertung von Bonitäten und Risiken zum Einsatz: Kann sich der Privatkunde einer Bank dieses oder jenes leisten, offenbart dies ein Überblick über seine Kontodaten. Vergleichbares gilt für Geschäftskunden – weist eine Firma ein Klumpenrisiko auf, wenn sich die Abhängigkeit von seinen Kunden verändert oder sich die Umsatzanteile verschieben.
KI unterstützt also bei der Datenanalyse und Modellerkennung. Die finale Bewertung bzw. Entscheidungsfindung obliegt dem Menschen – dem Kunden, dem Unternehmer und ihren Bank- oder Versicherungsberatern. Die Maschine hilft, den immer größer werdenden Datenberg weiterhin zu beherrschen.
Es wird deutlich: KI und Maschine Learning sind nicht nur für ChatGPT und Science-Fiction-Filme gut – mit dem Einsatz in der Kontoanalyse eröffnen sie allen Beteiligten wichtige Erkenntnisse. Dadurch werden Potenzialanalysen möglich, die für den Vertrieb nützlich sind. Diesem liefert die IT-Abteilung dank leicht implementierbarer Lösungen ein teures Gut: Daten, die sich in wertvolles Wissen verwandeln lassen.Dr. Christian Reichmayr, Fino Digital
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