STRATEGIE13. Juni 2024

„Zurück in die Zukunft“ – Europäische Aufsicht und Digitalisierung: Was war, ist, wird?

CBDC/ Digitaler Euro: Szenarien, Designoptionen und Auswirkungen – von Bundesbanker Burkhard Balz
Deutsche Bundesbank

Auf dem Bundesbank-Symposium am 12.6.2024 in Frankfurt am Main sprach Bundesbanker Burkhard Balz über Stand und Entwicklung der europäischen Aufsicht für Banken und blickte zurück auf 10 Jahre SSM. Zugleich schaute er auf zukünftige Aufgaben der Aufsicht im Spannungsfeld von Digitalisierung und KI. Eine Zusammenfassung seiner Rede.

von Burkhard Balz, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank

Im Juni 2009 veranstaltete Stephen Hawking eine exklusive Party für Zeitreisende aus der Zukunft und hatte wenig Glück, denn zu seiner Feier erschien kein einziger Gast. Er wollte mit seiner Party beweisen, dass Zeitreisen in die Vergangenheit nicht möglich sind, und veröffentlichte die Einladungen zu seiner Feier deshalb erst im Nachhinein.

Europäische Aufsicht: 10 Jahre SSM

Im Jahr 2014 entstand der SSM (Einheitlicher Bankenaufsichtsmechanismus) als europäische Antwort auf die Finanz- und Staatsschuldenkrise. Ziel war es, europaweit an alle Banken den gleichen strengen Maßstab anzulegen. Institute sollten hinsichtlich ihrer Kapitalausstattung und der Qualität ihrer Vermögenswerte vergleichbarer werden. Gleichzeitig sollten alle Institute im Euroraum nach einheitlich hohen Aufsichtsstandards und ohne National Bias beaufsichtigt werden.

Zu Beginn des SSM war die europäische Aufsicht alles andere als einheitlich. Die neu geschaffene Institution musste heterogene Aufsichtsansätze und -kulturen zusammenzubringen sowie konsistente und transparente europäische Aufsichts- und Beurteilungskonzepte entwickeln.

Heute sind die Bankbilanzen deutlich solider. Neben allgemein höheren Kapital- und Liquiditätsquoten sind auch die NPL-Quoten in den Bankbilanzen im Euroraum stark gesunken, von 8 Prozent im Jahr 2014 auf unter 2 Prozent, und das trotz einiger Herausforderungen auf diesem Weg.

Auch an den Methoden und Standards der Aufsicht wurde gearbeitet und beispielsweise der aufsichtliche Überprüfungs- und Bewertungsprozess (SREP) vereinheitlicht. Auf dem Weg zur Vereinheitlichung mussten wir allerdings an der einen oder anderen Stelle realisieren, dass die Prozesse zu komplex werden. Die Expertengruppe Wise Persons Grouphat der europäischen Aufsicht im letzten Jahr eine stärkere Risikoorientierung und eine höhere Risikotoleranz verordnet. Sie hat der Aufsicht empfohlen, zu priorisieren und sich bei Häufigkeit und Umfang von Aufsichtsaktivitäten stärker an den Risiken und der Bedeutung der Institute zu orientieren.

Die Aufsicht arbeitet im SSM effektiv zusammen, über Ländergrenzen hinweg. Durch diese Zusammenarbeit ist deutlich weniger National Bias wahrnehmbar. Zum Beispiel werden Prüfungen auch länderübergreifend oder im Mixed Team durchgeführt. Für mich zeigt der SSM, dass Europa funktioniert.

Wie wird die europäische Aufsicht in zehn Jahren aussehen? Welche Arbeit liegt vor uns? Was wir schon deutlich erkennen können, ist der Strukturwandel. Klimarisiken, geopolitische Risiken, demographischer Wandel und Digitalisierung erfordern umfangreiche Anpassungen unserer Volkswirtschaften, die sich auch in den Geschäftsmodellen der Institute niederschlagen werden und damit auch uns als Aufsicht fordern.

Digitalisierung im Finanzsektor

Schauen wir auf diejenigen Veränderungen, die durch die Digitalisierung ausgelöst werden. „Ganz früher“ galten FinTechs  als Exoten im Finanzsektor – kleine Unternehmen, die „irgendwas mit Digitalisierung“ machen, was teilweise außerhalb der klassischen Finanzaufsicht liegt. Kryptowerte waren damals noch neu und längst nicht im Mainstream angekommen.

Heute gibt es tausende unterschiedliche Kryptowerte, und nicht wenige haben sogar Bitcoin im eigenen Wallet.Und etliche haben damit viel Geld verloren. Die Risiken von Kryptowerten sind offensichtlich und ein Fall für die Regulierung. Hier ist Europa tatsächlich der Welt voraus: Mit der „Markets in Crypto-Assets Regulation“, kurz MiCAR, haben wir in der EU einen soliden regulatorischen Rahmen für Kryptowerte geschaffen.

Auch die Exoten von damals, die FinTechs, haben sich weiterentwickelt. Dank Technologien wie API (Application Programming Interface) und Cloud haben sich FinTechs mittlerweile erfolgreich in die Wertschöpfungskette des Banken- und Finanzgeschäfts integriert. Entgegen ursprünglicher Befürchtungen haben sie die etablierten Institute damit aber nicht vom Markt gedrängt, sondern sind zu deren Kooperationspartnern geworden.

Ausblick für die Aufsicht

Wie wird die Digitalisierung den Finanzsektor und die Aufsicht in den nächsten zehn Jahren verändern? Künstliche Intelligenz dürfte unser aller Leben gründlich verändern – und das Bankgeschäft wird keine Ausnahme bleiben. Noch ist die Relevanz der eingesetzten künstlichen Intelligenz für das Geschäft der Banken oft begrenzt; so wird KI beispielsweise für Chatbots im Kundenkontakt genutzt, nicht aber im Kern des Bankgeschäfts.

Aber bleibt es dabei? KI bietet aussichtsreiche Chancen und könnte künftig vermehrt im Finanzsektor eingesetzt werden, von der Bonitätsprüfung bis hin zu Risikomanagement-Modellen. Weit in die Zukunft gedacht könnte Regulierung das Einzige sein, was zwischen uns und einer Bank steht, die komplett von einer künstlichen Intelligenz betrieben wird.

Aber würden wir das wollen? Ich persönlich hätte Bedenken, nicht zuletzt, weil KI spezifische Risiken mit sich bringt und etliche ethische Fragen aufwirft.

So können mangelhafte Trainingsdaten zu verzerrten Ergebnissen führen – Diskriminierung bei der Kreditvergabe könnte die Folge sein. Hinzu kommt, dass KI häufig eine „Black Box“ ist. Wir kennen die Daten, die hineingehen, und wir kennen das Ergebnis, das herauskommt. Was dazwischen passiert, ist aber nicht immer nachzuvollziehen – eine Herausforderung gerade im Risikomanagement und in der Bankenaufsicht.

Klar ist also, dass KI einen regulatorischen Rahmen braucht. Ebenso wie bei Kryptowerten ist Europa auch hier voraus. Mit der KI-Verordnung, dem AI Act, gibt es auf europäischer Ebene einen sektorübergreifenden regulatorischen Rahmen für KI-Anwendungen. Wenn Banken KI nutzen, müssen auch sie im Zweifel den AI Act anwenden – die Bundesbank ist hier übrigens keine Ausnahme.

Schluss

Einige Antworten habe ich umrissen, möchte aber eine wichtige Erkenntnis des eingangs erwähnten Stephen Hawking teilen: „Die größten menschlichen Errungenschaften sind durch Kommunikation zustande gekommen – die schlimmsten Fehler, weil nicht miteinander geredet wurde.“ Reden wir miteinander. Über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft.

Die vollständige Rede von Burkhard Balz finden Sie hier.pp

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