EVENT: VERSICHERUNGSFOREN LEIPZIG5. Oktober 2015

Assekuranz: “Digitaler Sofortismus” & “Super-individuelle Tarife” stellen Versicherungen in Frage

LxPRESS
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Begrifflichkeiten, wie “Innovation” oder “Digitale Transformation”, dürfen heute in keinem Strategiepapier mehr fehlen. Auch die Assekuranz hat seit einiger Zeit die Dringlichkeit dieser Thematik erkannt und erste Maßnahmen für die Zukunft ergriffen. Dabei geht es nicht nur um reine Produktneuerungen, die neue Kundensegmente in Aussicht stellen, sondern vielmehr um Geschäftsmodellinnovationen, die langfristigen Erfolg versprechen. Über 350 Experten der Branche diskutierten auf dem 15. Partnerkongress der Versicherungsforen Leipzig am 1. und 2. Oktober, wie die Assekuranz auf die aktuellen Entwicklungen reagieren kann.

Für Martin Pluschke (ERGO Direkt) spielt der Wandel eine wichtige Rolle, denn der zentrale Erfolgsfaktor für die digitale Transformation, die durch die Entwicklung unserer Gesellschaft unausweichlich ist, ist eine fundamentale Erneuerung der gesamten Organisation.

Martin Pluschke (ERGO Direkt)LxPRESS
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Pluschke appellierte an die Branche, mutig zu sein und eine Kultur des Scheiterns zu leben. Belohnt wird heute nicht mehr derjenige, der auf sicher spielt. Im Gegenteil müsse neuen Entwicklungen und einem damit einhergehenden Wandel Raum gegeben werden, auch wenn nicht im Vorhinein durch die Sichtung sämtlicher Daten und Informationen eine Risikominimierung vorgenommen werden könne. Außerdem wies Pluschke darauf hin, dass Erneuerungen immer auch Zeit brauchen und nicht kurzfristig Deckungsbeiträge erwartet werden dürfen.

Wie lernt man von den „Kleinen“?

Das Konzept der Acceleratoren, Labs und Inkubatoren hat in den vergangenen Monaten in der Branche Einzug gehalten und wird von einigen Versicherern als gute Möglichkeit gesehen, die eingefahrenen Strukturen aufzubrechen. Die Zusammenarbeit mit Start-ups verspricht neue Blickwinkel, Arbeitsansätze und Ideen, die auf das eigene Geschäft übertragen werden können. Während die Allianz in ihrem Accelerator Talente unterstützt, die mit ihrer (Unternehmens-)Idee noch am Anfang stehen, setzte das ERGO Direkt iLab auf Ideenfindung innerhalb des Unternehmens, berichteten Bernd Scharrer vom Allianz Digital Accelerator und Roland Farnbacher (ERGO Direkt iLab).  Mit einem Inside-out-Ansatz sollen dabei neue Ideen generiert und verprobt werden.

Welche innovativen Ideen bereits auf dem Markt verfügbar sind, konnten die Teilnehmer des Partnerkongresses live erleben. Insgesamt 14 Start-up-Unternehmen stellten im Plenum ihre Ideen und Geschäftsmodelle vor.

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Einblicke in andere Branchen, in die Bedürfnisse und Sichtweisen der Kunden vermittelte der Partnerkongress im Rahmen von drei verschiedenen Themenwelten, die besondere Zukunftspotenziale für die Assekuranz bergen:

Die Themenwelt „Mobilität“ griff ein Thema auf, dass nach wie vor weit oben auf der Agenda vieler Branchen steht. Christian Helwig vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband betonte, dass der Kunde immer selbstbestimmter in der Wahl der Kommunikationskanäle wird.

Unternehmen müssen den Kunden daher dort bedienen, wo dieser mit dem Unternehmen in Kontakt treten möchte und nicht umgekehrt.

Auch wenn der persönliche Kundenkontakt gerade in der sensiblen Finanzdienstleistungsbranche nicht gänzlich verschwinden wird, gewinnen Kommunikationskanäle wie Apps an Relevanz. Dies bestätigte auch Roland Farnbacher (ERGO Direkt), der betonte, dass sich nicht nur die IT auf die neuen Anforderungen einstellen muss, sondern die gesamte Wertschöpfungskette von Versicherungen letztlich davon betroffen sein wird. Mobile Aktivitäten (Apps, responsive Webseite usw.) forciert die ERGO Direkt daher verstärkt als zusätzliche Kanäle zu den bestehenden.

„Digitalen Sofortismus“: Axel Springer auf dem Weg zum neuen Kunden

In der Themenwelt „Individualisierung & Lifestyle“ ging Michael Sandvoss, Head of Luxury and Lifestyle bei der Axel Springer Media Impact GmbH & Co. KG, auf Lebensstile in der digitalisierten Welt ein und zeichnete ein Bild des heutigen Kunden. In der Smartphone-Generation herrsche das On-demand-Prinzip. Alle Inhalte müssen sofort verfügbar sein, was Sandvoss als „digitalen Sofortismus“ bezeichnete. Gleichzeitig wünschen sich Kunden individualisierbare Produkte und Services. Unternehmen stellt dies vor große Herausforderungen: Sie müssen den Spagat zwischen Individualisierung und Standardisierung meistern und dabei dem Wunsch der Kunden nach Einfachheit und Transparenz gerecht werden.

Markus Rosenbaum, Geschäftsführer der Versicherungsforen LeipzigLxPRESS
Markus Rosenbaum, Geschäftsführer der Versicherungsforen LeipzigLxPRESS

Super-individuelle Tarife stellen das
Grundprinzip der Versicherung in Frage

Markus Rosenbaum, Geschäftsführer der Versicherungsforen Leipzig, übersetzte dieses Kundenbild und die resultierenden Konsequenzen für die Versicherungswirtschaft. Super-Individualisierung in der Assekuranz: Ist das möglich? Nein, heißt es vielfach in der Diskussion um Pay-as-you-live-Tarife in der Lebens- oder Krankenversicherung. Super-individuelle Tarife würden das Prinzip der Versicherung infrage stellen; der Risikoausgleich im Kollektiv stelle eine Grenze für die Individualisierung dar. Dass dies zu kurz gegriffen ist, machte Rosenbaum in seinem Vortrag deutlich. Der Risikoausgleich im Kollektiv sei weiterhin gewährleistet, denn er erfolgt im Kollektiv selbst, indem risikoarme Elemente die mit einer hohen Risikowahrscheinlichkeit ausbalancieren. Zudem minimiert sich das Kumulrisiko, wenn kein homogenes Versicherungskollektiv vorliegt.

Die Grenzen liegen demnach nicht in der Versicherungstechnik, sondern eher im Faktischen, etwa dort, wo Bevölkerungsteile systematisch vom Versicherungsschutz ausgeschlossen werden, bspw. weil sogenannte „schlechte Risiken“ kein Vertragsangebot mehr erhalten oder weil „schlechte Risiken“ einen prohibitiv hohen Preis bezahlen müssen (z.B. Vermögensschadenhaftpflichtversicherung für Hebammen). Rosenbaum erwartet, dass der Gesetzgeber dann eingreifen wird, wenn die Superindividualisierung zu Marktunvollkommenheiten führen wird.aj

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