FinOps unverzichtbar: “Public Cloud – kein Instrument zur Kosteneinsparung, sondern zur Effizienzmaximierung!”
Public Cloud Services: 95 % nutzen es, 58 % der Finanzdienstleister wollen in den kommenden Jahren eine Multi-Cloud-Strategie umsetzen. Doch was ist mit zielorientierter Steuerung, Optimierung und Kontrolle in der schönen neuen Welt der Datenwolken? Wer den Überblick über seine unzähligen Cloud-Ressourcen, deren Kosten und Effizienz nicht verlieren will, sollte so früh wie möglich FinOps implementieren.
von Daniel Wagenknecht, Partner & Jonas Lazar, Senior Manager bei KPMG
In Deutschland und Europa haben die Finanzinstitute die Testphase hinter sich gelassen und Public Cloud Services als feste Bestandteile in ihre Geschäftsmodelle und IT-Landschaften integriert.Wie jede neue Technologie bringt die Cloud aber nicht nur Leistung, sondern auch völlig neue Nutzungen und Kostenstrukturen mit sich. Im heutigen Zeitalter der Flatrates klingt es zwar unglaublich – doch es ist noch gar nicht lange her, da konnte zum Beispiel ein einziges Auslandstelefonat jeden Rahmen der Handyrechnung sprengen, wenn ein Kunde nicht jedes Detail seines Tarifs im Kopf hatte. In einer ähnlichen Situation ist heute die Finanzbranche:
CloudServices sind allgegenwärtig und unverzichtbar. Die Kostenstruktur dieser Technologie aber entspricht dem Mobilfunksektor vor 20 Jahren, als beinahe jede Vorwahl einen eigenen Tarif hatte, der abhängig von Ort und Uhrzeit variieren konnte.”
Allerdings mit einem Unterschied: Während es schon für einen einzelnen Mobilfunkkunden fast unmöglich war, im Tarifdickicht den Durchblick zu behalten, haben Finanzdienstleister heute mehrere tausend Mitarbeiter. Sie greifen in völlig unterschiedlicher Intensität auf die Public Cloud zu: Die wichtigsten Anbieter haben nicht selten mehr als 200 Einzeltarife, die auch noch miteinander kombinierbar sind. Daraus ergibt sich eine beinahe endlose Anzahl von Kombinationsmöglichkeiten. Dadurch werden Kosten verursacht, die ohne das entsprechende Analyseinstrument auch für hochprofessionelle Unternehmen nicht zu überblicken sind.
Ein angemessenes Kostenmanagement der dezentral zur Verfügung gestellten IT-Ressourcen in der Cloud-Welt verspricht das FinOps-Modell (Financial Operations).”
Der Begriff kann irreführend sein, denn es handelt sich keineswegs um Geldgeschäfte oder Transaktionen, sondern um die intrinsische Selbstkontrolle der von einem Unternehmen genutzten (Public)-Cloud-Services. FinOps beschränken sich nicht auf Tools und Technologien, sie stellen ein operatives Modell dar, das die Mitarbeiter durch Prozesse, Routinen, Governance und Best Practices befähigt, die Cloud-Services verantwortungsvoll zu nutzen. Ausgangspunkt des Konzepts der FinOps war die Idee einiger junger Tech-Unternehmen. Sie wollten nachvollziehen, welchen realen Mehrwert jeder einzelne Cent generiert, den sie in Cloud-Technologie investieren – etwa die exakten Cloud-Kosten für eine Minute Videostreaming oder für eine Kreditkartentransaktion ihrer Kunden. Ein Idealtypus, der in der Realität nicht zu erreichen ist. Aber darauf kommt es auch nicht an: Für die Finanzbranche ist es vielmehr wichtig, maximale Transparenz als Entscheidungs- und Optimierungsgrundlage herzustellen.
Jonas Lazar ist Senior Manager bei KPMG (Website) im Bereich Technology Consulting für Financial Services. Er unterstützt Banken und Versicherer mit IT- und Modernisierungsstrategien sowie auf ihrem Weg in die Cloud. Bevor er zu KPMG wechselte, war er als Principal Business Consultant bei Software ONE und Senior Project Manager bei VMware im Cloud Umfeld tätig. Zuvor war er viele Jahre bei Deloitte in Deutschland und in den USA tätig, zuletzt als Senior Manager mit Fokus auf Software Asset Management und generelle IT-Großprojekte. Davor war er in unterschiedlichen Rollen bei IBM Deutschland und Fujitsu tätig.
Dafür muss sie sich fragen: Welchem Ressourcenverbrauch entspricht ein Cent Investition in die Cloud, welche externen Ressourcen verbraucht eine Sekunde Cloud Time eines Mitarbeiters? Zum Beispiel an Hardwarenutzung, Elektrizität, Arbeitszeit der IT oder CO2-Emission?”
Am Anfang dieses Prozesses stehen Grundfunktionen wie die Analyse des Vertrags mit dem Cloud Provider oder das dezidierte Verständnis der eigenen Rechnung, die durchaus eine große Anzahl einzelner Line Items umfassen kann. Eine Königsdisziplin bei vollständig implementierter FinOps-Methodik ist die Aufschlüsselung der Cloud-Nutzung in nahezu beliebig viele Kategorien: Projekte, Technologien, Fachbereiche oder Faktoren wie CO2-Emission, an denen Finanzdienstleister dann ihre Nachhaltigkeitsstrategie und ESG-Compliance ausrichten können.
FinOps: In drei Schritten zur Implementierung
Die Public Cloud ist kein Instrument zur Kosteneinsparung, sondern zur Effizienzmaximierung.”
Im Vordergrund steht ihre Funktion als Innovationsmotor, der zum Beispiel maßgeblich die Time-to-Market für neue IT-Lösungen verkürzt. Analog dazu fungieren FinOps weniger als Spardiktat oder gar Hemmschuh – sie sollen vielmehr größtmögliche Transparenz schaffen, unnötige Nutzung und technische Fehler entlarven oder auf Anomalien reagieren, sodass die Cloud-Ressourcen eines Unternehmens optimal eingesetzt werden. Den Teammitgliedern wird durch entsprechende Transparenz und Zuordnung von Verantwortung die Möglichkeit gegeben, proaktiv sowie eigenständig die Awendung bedarfsgerecht zu optimieren.
Der ideale FinOps-Zyklus besteht aus drei sich wiederholenden Phasen: dem Informieren, Optimieren und Betreiben.”
Nachdem die Grundfunktionen etabliert sind, werden diese in jedem Sprintzyklus erweitert und verbessert. Im Zuge einer ersten Bestandsaufnahme analysiert der Finanzdienstleister mit seinem Partner die eigene Cloud-Strategie: Gibt es schon Funktionalitäten für FinOps, etwa eine interne Kostenverrechnung, die den einzelnen Teams ihre Cloud-Kosten anzeigt? Dann wird gemeinsam ein Framework entwickelt und an die Bedürfnisse des Instituts angepasst.
Im Informationsprozess geht es für den Finanzdienstleister darum, das eigene Nutzungsmuster zu verstehen.”
Welches Team nutzt welche Tools und Services, wie werden die Kosten innerhalb des Unternehmens zugeordnet? Auf der Grundlage von KPIs, Trendanalysen und dem Abgleich mit externen Benchmarks kann das Institut datenbasierte Entscheidungen treffen: Welche Services werden (zu) wenig genutzt, welche virtuellen Maschinen laufen über das Wochenende, wo bauen sich Entwickler unnötig große Testumgebungen?
Im anschließenden Optimierungsprozess sorgen die Finanzdienstleister dann dafür, ihre Investitionen bestmöglich zu nutzen, beispielsweise durch Volumendiscounts, die natürlich immer ein Mindestmaß an Langfristigkeit auf Kosten der Flexibilität mit sich bringen. Auf technologischer Ebene ist „Rightsizing“ ein wichtiger Faktor: Wird die Infrastruktur optimal genutzt, die maximale Performance womöglich nur zu bestimmten Uhrzeiten benötigt? Ungenutzte Dienstleistungen und Instanzen, sogenannte “Zombies“, können abgeschaltet, das Storage-Volumen angepasst und bereits vom On-Premise in die Cloud migrierte Architekturen modifiziert werden. So vermeidet die Branche, dass Mitarbeiter Testinstanzen vergessen und Ressourcen weiterlaufen, obwohl Projekte beendet sind, oder sie passt ihre Workloads über Scheduling-Algorithmen an die Tageszeit an. Im Betriebsprozess schließlich können Finanzdienstleister die Ergebnisse ihrer FinOps-Analysen interdisziplinär verknüpfen: beispielsweise indem sie ESG-Kriterien in ihr Kostenmanagement integrieren und ihre Kommunikationsstrategie darauf aufbauen oder ihre Stakeholder in Optimierungsprozesse einbinden.
Der Kultur-Faktor macht den Unterschied
Neben den drei US-Hyperscalern, die alle eine toolgestützte FinOps-Analyse ihrer Cloud-Services anbieten, ist eine Reihe von Drittanbietern mit ebenso starken Softwarelösungen auf dem Markt. Wem man hier vertrauen sollte, hängt von der individuellen Cloud-Strategie ab – es gilt jedoch die Faustregel: Je mehr die Multi-Cloud genutzt wird, desto wahrscheinlicher ist ein Drittanbieter die richtige Wahl.
Ausschlaggebend für eine gelungene Implementierung aber ist ein anderer Faktor: FinOps sind kein einzelnes Tool, sondern ein Werkzeugkasten – und dieser muss neben Technologien, Instrumenten und Schulungen vor allem eines enthalten: die Bereitschaft für einen Kulturwandel im Unternehmen.”
Nur wenn die Sensibilität dafür, dass jede digitale Cloud-Ressource einer Ressource in der echten Welt entspricht, sei es Geld, Strom, Zeit oder CO2-Emission, im kollektiven Bewusstsein der Mitarbeiter ankommt, entfalten FinOps ihr volles Potenzial. Denn im Idealfall sollen sie nicht beschränken, sondern das Bewusstsein einer ganzen Branche schärfen, sodass sie freiwillig maßvoll und behutsam mit Ressourcen umgeht – welche Thematik könnte derzeit aktueller sein?Daniel Wagenknecht, Partner & Jonas Lazar, Senior Manager bei KPMG
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