„EPI und IoT-Payments werden ihre Blütezeit erst nach 2022 erleben.“
Ob Maestro-Aus, Instant Payments, EPI oder Stablecoins – der Payment-Markt ändert sich rasant. Welche Trends, Innovationen und regulatorischen Herausforderungen werden 2022 prägen? Was zeichnet in Zukunft Bezahlen aus? Die COVID-19-Pandemie hat das Bezahlverhalten von Privathaushalten schon jetzt massiv verändert. Immer mehr Menschen kaufen online von zuhause aus.
Allein mit Instant Payment steht seit 2018 eine echte Bargeldalternative bereit, die es bis dato noch nicht gab. Dennoch verhindert die zögerliche Teilnahme der Banken sowie die Gebührenpolitik der teilnehmenden Finanzinstitute eine stärkere Verbreitung von Echtzeitzahlungen. Regulatoren, die bislang auf Trends eher reagiert haben, werden mehr „in Lead“ gehen müssen, um der europäischen Finanzindustrie bessere Zukunftsperspektiven anbieten zu können.
IT Finanzmagazin-Journalist François Baumgartner im Gespräch mit Unternehmensberater Nikola Jelicic, Senior Manager und Leiter der Kompetenzgruppe Payments bei zeb zu neuen Trends und Innovationen, Initiativen und Regulatorik im Bereich Zahlungsverkehr und darüber hinaus.
Herr Jelicic, welche Trends und Initiativen im Payment sehen Sie 2022 und warum?
Ich sehe drei Trends, auf die jedes Institut achten muss: Konvergenz-Payment und Lending, das Aus der Girocard und Instant Payments. Der Buy-Now-Pay-Later Trend (BNPL) hat gezeigt, dass Kunden Lösungen wollen, die ihre gesamte Kundenreise unterstützen und sich eben nicht entlang der Banking-Produkte Payment und Lending stark unterscheiden. Dieses Feld war bisher mit der Kreditkarte besetzt – in der post-PSD2 Welt gibt es gute Alternativen, die sich alle Player strategisch überlegen müssen.Die Girocard, wie viele andere lokale Kartenlösungen, verlieren an Bedeutung. Die Wahl wird künftig zwischen Visa und Mastercard einerseits und möglicherweise einer europäischen Lösung (EPI) andererseits liegen.
Instant Payments werden Mainstream – sie ermöglichen neue Kundenreisen im Payment-Bereich, die noch näher eingebettet in die reale Wirtschaft sind. So schnell und flexibel wie Cash, nur sicherer und besser.“
Wer sind die Trendsetter und wer schiebt diese Initiativen an?
Gateways wie PayPal und Kunden-Ökosysteme wie Klarna sind Trendsetter im Payment-Segment.”
Überdies zählen alle API-basierten Geschäftsmodelle zum Payment und Banking der Zukunft – diese werden von Spezialisten wie TINK aber auch von einer Universalbank wie die BBVA gut abgebildet. Industrie- und regulatorische Initiativen haben auch das Potenzial, richtungsweisend zu wirken und Trends zu verstärken und zu beschleunigen. Insbesondere sehen wir hier die European Payment Initiative (EPI), aber auch die anstehende Investigation Phase im Projekt Digitaler Euro, sowie die PSD3.
Wofür stehen EPI und IoT-Payments?
Beide Initiativen werden ihre Blütezeit erst nach 2022 erleben, brauchen aber eine längere Vorlaufzeit respektive ein längeres Experimentieren. Die European Payment Initiative soll eine europäische Zahlungslösung schaffen, welche im Retail-Bereich, wie heute die Debitkarte, sowie im P2P, wie Bargeld, eingesetzt wird. Die Initiative beruht auf der Unterstützung der größten EU-Länder und deren Bankengruppen. Somit hat die European Payments Initiative (EPI) eine hohe Erfolgschance, aber auch eine relativ komplexe Governance. Wenn alles so kommt wie geplant, werden wir, bevor wir mit dem digitalen Euro bezahlen, EPI statt Cash und Karten als Mainstream Zahlungsmittel in der EU einsetzen.
Abgesehen davon, sind Micropayments ein wachsendes Segment im Payment, welche stark in der Realwirtschaft implementiert sind. Sie kommen öfter als M2M-Payment vor und beruhen auf Abo-Modellen, die beispielsweise bei Mobilitätslösungen und -anbietern inkludiert sind. IoT ist die Technologie, die diesen Trend unterstützt.“
Nikola Jelicic ist Senior Manager und Leiter der Kompetenzgruppe Payments bei zeb. Als erfahrener Finanzdienstleistungsberater mit starkem digitalen Fokus kapriziert er sich auf Zahlungsinnovationen und Open Banking. In seiner zehnjährigen Beratungskarriere hat er Kunden in ganz Europa geholfen, Investitionen zu priorisieren, Kosten zu senken und neue Einnahmequellen in über 30 erfolgreichen Beratungsprojekten zu generieren. Jelicic war u.a. Head of Digital Strategy bei OMV sowie Senior Berater bei Roland Berger und Berater im Bereich Debt Management bei der KfW.
Welche davon haben einen besonderen starken Effekt auf das Banking der Zukunft?
Eine EPI hat jedenfalls einen unmittelbaren Effekt auf das europäische Banking der Zukunft.”
Entweder werden EU-Banken einen europäischen Payment-Markt mit aktuellen digitalen Zahlungsmöglichkeiten kreieren oder wir rutschen in mehrere Teilmärkte, die von anderen Lösungen und Währungen geprägt sein werden. Es ist sehr wichtig, dass diese Initiative mit Hilfe von Regulatoren zum Erfolg gebracht wird. IoT stellt außerdem eher eine neue Anforderung an die Kontoführung für Maschinen respektive die Transaktionsabwicklung von vielen kleinen Transaktionen dar. Es ist eine wichtige Entwicklung aber noch keine Transformation des gesamten Marktes.
Welche Trends und Initiativen werden von der EU-Regulierung potenziell abgedeckt?
Wir erwarten eine Weiterentwicklung in den bereits adressierten Feldern: Also Zugang zu Financial Services und Wettbewerb – entlang der bisherigen Entwicklung in PSD2, Adoption neuer Standards – insbesondere bei den Themen Instant Payments und API-Standards und Sicherheit – hier die Minimierung von Fraud-Risiken sowie die Minimierung von Kreditrisiken im Markt durch alternative Finanzierungsangebote wie BNPL. In diesem Zusammenhang sind jedoch nicht nur neue Richtlinien zu erwarten, sondern auch eine Unterstützung der Industrie in der Adoption neuer Standards und Normen.
Warum gibt es für Stablecoins und Consumer protection RVC einen Freibrief?
Aus meiner Sicht gibt es keinen Freibrief. Es gibt hier eher noch keine klare Sicht darauf. In Australien hat man zum Beispiel BNPL bereits teilweise reguliert. Es gibt mittlerweile überall auf der Welt Central Bank Digital Currencies (CBDCs) als Antwort auf Stablecoins. Meine Hoffnung wäre, dass wir bei der Bankenregulierung in Richtung einer feinen Kosten-Nutzenabwägung gehen. Den Konsumenten also vor unfairen Praktiken in Bezug auf Datennutzung oder Überschuldung schützen, aber auch die Wahl zwischen alternativen Angeboten, wie etwa Kreditkarte oder BNPL, ermöglichen. Die rote Linie ist hier die Geldpolitik der Notenbanken sowie das Vertrauen und die Sicherheit des Finanzsektors als solches. Da sollte man auch nicht vorschnell handeln, sondern eher mit richtigen Anreizen marktnahe Innovationen im Finanzsektor unterstützen. Ein Beispiel dafür könnte die Unterstützung von EPI-Adoptionen für Kleininstitute oder die Schaffung gemeinsamer Infrastrukturen und Services sein.
Sie sagen: Der Payment-Markt ändert sich immer weiter und sie empfehlen jedem europäischen Institut eine eigene Payment-Roadmap. Was muss diese Roadmap en détail enthalten?
Wir sehen drei Bereiche in der strategischen Payment Roadmap, die jedes Finanzinstitut spezifisch beantworten muss. Und zwar im Hinblick auf ihre Unternehmensstrategie. Da geht es zunächst um Kunden und Märkte. Welche Kunden wollen wir erreichen – ist es eher der stationäre Handel oder der Online-Kunde? Außerdem muss sich jedes Institut die Frage stellen, welche Business-Modelle es verfolgen möchte. Die Auswahl ist, wie etwa BNPL, Payment Gateway und Soft-POS zeigen, durchaus stattlich. Zweitens müssen wir uns alle die Frage stellen, wie wir mit dem Rückgang von Cash umgehen. Folglich geht es hier um die Bezahlformen: Also Geldautomaten, Karten sowie alternative Zahlungsmittel wie PayPal und Co.
Finanzinstitute müssen sich infolgedessen die Frage stellen, auf welche Produkte diese setzen wollen. Ist es die MasterCard, Visa oder EPI?”
Bauen wir das Business-Modell Wallet aus? Und wie schnell setzen wir auf Instant Payments, verbunden mit Use Cases? Wie weit bauen wir unser API Business aus? Und last but not least: die Organisation. Wo siedeln Finanzinstitute die Verantwortung für Payments an? Welche Partnerschaften gehen wir ein? Gibt es eine ,Make or buy´ Entscheidung für Payment und Card Processing?
Bleiben wir mal bei der Organisation. Was bedeutet das für Prozesse in der Gesamtbanksteuerung?
Der Automatisierungsbedarf ist nach wie vor sehr hoch. Hier gibt es bereits gute Lösungen. Am Beispiel der E2E-Automatisierung – entlang einer Customer Journey – kann man gut Ressourcen und Kosten einsparen. Freilich werden Prozessteile und -module vermehrt durch FinTechs – sprich Provider perfektioniert und angeboten. Das findet vor allem in den Bereichen Payment und Karten statt.
Fest steht aber auch: Durch Automatisierung lassen sich bis zu 30 Prozent der Personalkosten reduzieren. Das kann etwa beim Self-Service der Wartung von Karten gut beobachtet werden. Da geht es um die Behandlung der PIN, den Verlust oder Diebstahl der Karten sowie um neue und digitale Karten.“
Zurück zur Roadmap: Wie bewerten Sie folglich die diversen Time Lags zwischen Marktinitiativen auf der einen Seite und den Vorhaben der Europäischen Kommission, wie etwa dem Review zur PSD2, auf der anderen Seite?
Aufgrund der Time Lags braucht jedes Institut eine eigene Sichtweise auf die jeweiligen Themen: Die Roadmap definiert, in welchen Bereichen ein Finanzinstitut Vorreiter und in welchen es ein Smart Follower sein will. Natürlich wird da Umsetzungsunterstützung der europäischen Regulatoren und Marktinfrastrukturprovider nicht fehlen dürfen.
Ein möglicher „Booster-Shot“ für Instant Payments stellt die European Payments Initiative (EPI) dar. Das Konsortium von rund 30 europäischen Banken plant, als Gegenspieler der US-Konzerne PayPal, Mastercard und Visa ein europaweites Zahlungssystem zu etablieren.“
Ziel von EPI ist es immer noch, trotz Verzögerungen in der Entscheidungsfindung eine einheitliche, innovative paneuropäische Zahlungslösung bis 2024 zu schaffen, die Instant Payments nutzt und Verbrauchern in ganz Europa alle Arten an sogenannten Retail-Payments ermöglicht. In diesem Zusammenhang soll es eine Debit- und Kreditkarte geben, mit denen kontaktloses Bezahlen möglich wird. Zudem soll eine „Wallet App“ aufgesetzt werden, die es erlauben wird, die Karten zu digitalisieren und die auf Instant Payments aufbauende Zusatzdienstleistungen anzubieten. Der geplante erste Schritt sind P2P-Zahlungen, die schon im kommenden Jahr möglich sein sollen.
Und wie ist der Status-Quo bei Kryptowährungen?
Mit Blockchain-artigen Alternativen wie Bitcoins oder Facebooks Stablecoin Diem wird zwar eine weitere vergleichbar anonyme Zahlungsform gehandelt, allerdings eignet sie sich nur bedingt als Bargeldalternative und hat derzeit noch eine deutlich eingeschränkte Verwendbarkeit. Hier geht es weniger um die Bereitstellung der technischen Infrastruktur für Echtzeitzahlungen, sondern vor allem um die Positionierung als sicherer Verwahrer digitaler Vermögenswerte. Diesem Markt werden CBDCs als regulierte digitale Cash-Alternative entgegen stehen.
Herr Jelicic, herzlichen Dank für dieses Gespräch.Francois Baumgartner
Sie finden diesen Artikel im Internet auf der Website:
https://itfm.link/132469
Schreiben Sie einen Kommentar