Die Hersteller von GAA, Cash-Recyclern und AKTs suchen Anschluss an die Digitalisierung
Die Liste von einstmals erfolgreichen Unternehmen, die zu spät auf neue technologische und gesellschaftliche Entwicklungen reagiert haben, ist lang. In immer kürzeren Abständen kommen weitere Namen dazu. Jetzt sind die Hardware-Hersteller dran.
von Ralf Keuper, Blogger und Kolumnist
Wie nur wenige technologische Innovationen zuvor, hat die Digitalisierung, d.h. die Verlagerung weiter Teile der Wertschöpfung und Kommunikation in das Internet, die Zahl der Opfer der digitalen Transformation erhöht. Von diesem Wandel besonders stark betroffen sind Gerätehersteller, deren Produkte durch Verlässlichkeit und solide Verarbeitung, weniger aber durch die Fähigkeit zur Interaktion mit Endkunden und anderen Partnern hervorstechen. Der Kreis der Abnehmer ist relativ überschaubar, die Kundschaft anspruchsvoll und bereit, für die Produkte und den begleitenden Service tief in die Tasche zu greifen – wie bei den Geldautomaten und Kassensystemen. Banken und Handel waren bisher verlässliche und solvente Kunden. Als Folge der kontinuierlichen Zunahme des unbaren Zahlungsverkehrs und der Verbreitung mobiler Endgeräte, die eine Vielzahl der Funktionen enthalten, die zuvor von Geldautomaten und AKTs abgedeckt wurden, sinkt der Bedarf an Produkten und Dienstleistungen von Herstellern wie Wincor Nixdorf, NCR und Diebold deutlich. Die goldenen Jahre sind vorbei.Die Hauptabnehmer, vor allem die Banken, spüren die Verlagerung großer Teile ihres Geschäfts ins Internet. Als Reaktion darauf haben sie die Zahl ihrer Filialen deutlich zurückgefahren; Tendenz weiter fallend. An die Stelle der Filiale treten Smartphones und Tablet PCs, die Rolle der Brieftasche übernimmt das Mobile Wallet. Zahlungen lassen sich mobil, mit dem Smartphone, abwickeln. Apple Pay, das Google Wallet, Samsung Pay, CurrentC, der facebook-messenger, Venmo, Alipay, SEQR und weitere Anbieter sorgen dafür, dass die Kunden sich langsam aber sicher an das mobile Bezahlen gewöhnen. Nicht mehr lange, und in den Einzelhandelsgeschäften sind nur noch vereinzelte Kassen für Kunden, die noch mit Bargeld zahlen wollen, verfügbar.
Wincor Nixdorf versucht nun, nachdem die Zahlen für das laufende Geschäftsjahr die Erwartungen nicht erfüllt haben und auch die weiteren Aussichten nicht sonderlich günstig sind, seine Aktivitäten im Bereich Softwareentwicklung und Service zu verstärken. In den letzen Jahren ist Wincor Nixdorf als Outsourcing-Partner für verschiedene Großkunden hervorgetreten. Die Renditen im Servicegeschäft sind jedoch für gewöhnlich gering, die Austauschbarkeit groß. Ob die Lohnkürzungen, die Wincor Nixdorf für den Zeitraum ab dem 01.07.2015 angekündigt hat, die Ertragssituation langfristig verbessern kann, darf zumindest bezweifelt werden, zeigt aber, wie ernst die Lage bereits ist. Der Motivation der Mitarbeiter dürfte diese Maßnahme kaum zuträglich sein.
Im Geschäft mit Software sind die Aussichten nicht besser. Sicher – in der Vergangenheit machte das Unternehmen mit einigen Aktionen auf sich aufmerksam, die erkennen lassen, dass man die Herausforderung durch die Digitalisierung angenommen hat, wie mit der Aevi Pay Plattform oder mit dem Payment-Tablet Albert. Als Antwort auf Apple, Samsung, Google, facebook, PayPal und Co. dürften sie jedoch nicht ausreichen. Die Mediennutzung hat sich in den vergangenen Jahren gravierend gewandelt, soziale Netzwerke wie facebook, Instagram, snapchat, Line, Daum Kakao, WeChat, Whatsapp und weitere sind die neuen Gatekeeper im Zahlungsverkehr. Das bekommen die Banken immer stärker zu spüren, so auch die Hersteller von Geldautomaten und Kassensystemen wie Wincor Nixdorf.
Nicht viel anders sieht es bei NCR und Diebold aus. NCR etwa, beschäftigte zu seinen besten Zeiten am Standort Augsburg 5.000 Mitarbeiter. Heute sind es noch 300. In Kürze siedelt das Unternehmen aus der Augsburger Innenstadt an den Rand der Stadt, nach Lechhausen ins frei gewordene Verwaltungsgebäude des Weltbild-Verlags, um. Die deutsche Niederlassung verfolgt “große Ziele”, und plant für den Bereich Softwareentwicklung 30 bis 40 Neueinstellungen. Mit Verlaub: Nach einer großen Offensive klingt das nicht. Trotzdem scheint man bei NCR insgesamt bei der Transformation vom Gerätehersteller zum Softwareanbieter weiter zu sein, als Wincor Nixdorf. Diese Vermutung legt jedenfalls ein Forbes-Interview mit dem CIO von NRC, Bill van Curen, nahe. Seiner Ansicht nach werde sich NCR zu seinem SaaS-Anbieter entwickeln. Daneben beabsichtigt das Unternehmen sich als Dienstleister für die Bereiche Security und Compliance zu positionieren. Alles in allem wirkt das so, als würde sich NCR auf das Application Management für Banken und andere Kunden konzentrieren bzw. dorthin ausweichen. Andererseits glaubt NCR, Square und PayPal das Geschäft streitig machen zu können. Für NCR spreche, so CEO William Nuti, der ausgezeichnete, bewährte Kundenservice. Wenn ein Händler ein Problem mit einem Gerät oder der Leitung habe, sei der Kundenservice sofort zur Stelle. Da könnten PayPal und Square nicht mithalten. Das wollen und brauchen sie womöglich auch gar nicht. Ob NCR den Vorsprung von PayPal und Square im Online-Bezahlen aufholen kann, bezweifelt nicht nur Fast Company.
Ebenso wie Wincor und NCR, ist auch Diebold intensiv dabei, sich in ein Software-Unternehmen zu verwandeln, wie durch die Übernahme des Herstellers für ATM-Software, Phoenix Interactive Design. Vor einigen Wochen gab UBS bekannt, zusammen mit Diebold an der Filiale der Zukunft zu arbeiten. So richtig innovativ klingt aber auch das nicht.
Das Geschäft läuft zunehmend an den Herstellern von Geldautomaten und Kassensystemen vorbei. Es hat sich in andere Kommunikationskanäle verlagert, zu denen selbst die Banken kaum noch Zugang haben.
Für John Diebold (“der erste große IT-Unternehmensberater“), nicht mit dem Hersteller gleichen Namens verwandt, zählten die Geldautomaten zu den maßgebenden Innovationen der Nachkriegszeit im Banking. Seitdem haben weder die Banken noch die Hersteller von Geldausgabeautomaten mit bahnbrechenden Neuerungen auf sich aufmerksam gemacht. Es war nur eine Frage der Zeit, bis eine neue Technologie, oder ein ganzer Verbund davon, die alte Infrastruktur obsolet machen würde. Dieser Fall ist eingetreten.
Damit nicht genug: Die Verbreitung digitaler Währungen, wie überhaupt der Blockchain, wird in den nächsten Jahren für weiteren Wandel sorgen. Ergebnis könnte eine völlig andere Zahlungsverkehrsinfrastruktur sein.
Nur sehr wenigen IT-Unternehmen ist es in der Vergangenheit gelungen, sich selbst neu zu erfinden – prominentestes Beispiel war bisher IBM. Aber selbst Big Blue tut sich ausgesprochen schwer, den Wandel von einem klassischen IT-Unternehmen zum innovativen Technologiekonzern zu vollziehen. Große Hoffnungen setzt man bei IBM auf die Kooperation mit Apple. Erst kürzlich präsentierte das Duo acht Business-Apps, Mobile First Apps, die für iOS entwickelt wurden.
Ganz aus eigener Kraft den Anschluss an die Digitalisierung, ihre Spielregeln und Machtverhältnisses zu schaffen, dürfte für Wincor Nixdorf, NCR und Diebold gleichermaßen äußerst schwierig werden.rk
Ralf Keuper ist Bank- und Diplomkaufmann und seit rund 15 Jahren in verschiedenen Positionen beratend im Bankenumfeld tätig. Er gehört zudem mit seinem Blog bankstil zu den Top10-Bloggern im FinTech-Bereich und berät Banken bei der digitalen Transformation sowie FinTech-Startups bei ihrem Markteintritt. Keuper hat unter anderem als Senior Consultant Banking bei der COR&FJA AG und Senior Consultant Banking & Financing bei Steria Mummert Consulting AG gearbeitet.
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