Agile Skalierung per Framework: wie Banken die richtige Mischung für ihr IT-Großprojekt finden
Auf den IT-Baustellen deutscher Banken soll so agil wie möglich gecodet, getestet und deployed werden. Sogenannte Skalierungs-Frameworks unterstützen die Projektbüros bei der Übertragung agiler Ansätze auf Großprojekte. Doch nicht jedes Framework passt wie angegossen. Ein methodisches Vorgehen hilft bei der Auswahl der passenden Ansätze und der Kombination einzelner Bausteine.
von Christian Steinweg von Sopra Steria
Es ist viel los in der deutschen Bankenbranche. Die Commerzbank hat angekündigt, auf moderne Cloud-Technologien von Microsoft zu setzen. Die Deutsche Bank wird im Rahmen ihres Modernisierungsprojektes ebenfalls Cloud-Services nutzen, allerdings die von Google. Und die Sparkassen stehen den privaten Geschäftsbanken in nichts nach. Die Finanz Informatik vermeldete bereits im Juli 2020 eine Zusammenarbeit mit dem Internetkonzern aus den USA.Für die Umsetzung dieser IT-Großprojekte entscheiden sich die Institute mittlerweile flächendeckend für agile Ansätze. Was die Häuser allerdings bei der Planung immer wieder feststellen:
Agile Ansätze sind in ihrer Grundidee mit den bekannten Scrum-Rollen nicht für derart voluminöse Vorhaben mit mehreren hundert Projektbeteiligten ausgelegt.”
Skalierbare Frameworks wie SAFe, LeSS, Nexus, OKR oder das Spotify Tribe Model helfen zwar dabei, agile Arbeitsbedingungen auch in Konzernstrukturen zu schaffen. Doch viele Ansätze lassen sich nicht eins zu eins auf jedes Vorhaben übertragen.
Hier einige typische Hürden, auf die Projektplaner im Umgang mit Skalierungs-Frameworks immer wieder stoßen:
- Die Skalierungsansätze in ihrer Reinform verfügen über eine starre Nomenklatur der vordefinierten Rollen, Events und Artefakte. Dieses Korsett passt häufig nicht für das konkrete Vorhaben.
- SAFe skaliert beispielsweise vertikal (hierarchisch) über mehrere Ebenen und LeSS skaliert tendenziell eher horizontal auf einer Ebene. Je nachdem, welche Abteilungen und welche externen Partner beteiligt sind, stoßen die Frameworks in ihrer Reinform an ihre Grenzen.
- Skalierungsansätze wie SAFe oder LeSS verfügen zudem über ein hohes Maß an „Basisdemokratie“. Wenn Banken eines dieser Frameworks in ihrer Reinform nutzen, besteht die Tendenz einer „ausufernden Meetingkultur“. In der aktuellen Projektpraxis der Banken ist das nicht erwünscht, denn es erschwert klar abgegrenzte Berichts- und Eskalationswege und Verantwortlichkeiten.
- Dazu kommt: In traditionellen Banken ist eine fortgeschrittene agile Kultur in der Regel noch nicht zu erkennen. Eine agile DNA findet man eher in Neobanken wie N26 oder Solarisbank mit viel häufigeren Release-Zyklen. Ergo: Der durchgängige Einsatz eines agilen Skalierungs-Frameworks in seiner Reinform passt noch nicht zur Projektkultur einer Sparkasse oder Landesbank.
- Und: Viele Banken wollen oder können auf bestimme Rollen des klassischen Projektmanagements nicht verzichten – insbesondere nicht auf Projektleiter und Teilprojektleiter.
Nun könnte man theoretisch auf die Idee kommen, IT-Großprojekte einfach in kleine Scrum-Teams zu stückeln, um sie komplett agil zu managen. Doch das hat zwei entscheidende Nachteile:
- Inhaltliche Steuerung: Abhängigkeiten von den anderen „n“ agilen Teams lassen sich nur schwer erkennen und managen. Es fehlt die übergeordnete Steuerung und Validierung des Gesamtergebnisses.
- Synchronisation und Vernetzung: Jedes Team arbeitet losgelöst für sich. Ergebnisse und Ressourcen werden nicht untereinander abgestimmt. Der Gleichlauf zwischen den agilen Teams ist erschwert, weil die Schnittstellen- und Synchronisationsfunktionen fehlen.
Eignungstest für Skalierungs-Framework durchführen
Autor Christian Steinweg, Sopra Steria Christian Steinweg (Linkedin Profil) ist Seniorberater im Geschäftsbereich Banking von Sopra Steria (Webseite). Seine Beratungsschwerpunkte sind agiles Projektmanagement, Vertriebsprozesse sowie Marketing- und Kommunikation für Banken. Er berät vor allem Institute im Sparkassensektor. Darüber hinaus ist Christian Steinweg Dozent an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg.
Es gilt somit, für jedes Projekt zu prüfen, ob es sich mit einem agilen Skalierungs-Framework, einem reinen Wasserfallansatz oder mit einer Mischung (Hybridansatz) umsetzen lässt. Es hat sich bewährt, im Vorwege eine Art Audit durchzuführen. Hierfür sollten die Projektverantwortlichen in Banken interne Prüfkriterien bestimmen, die für Projekte wie den Umzug in die Cloud, die Einführung eines neuen Kernbanksystems oder die Umsetzung einer Zero-Helpdesk-Strategie wichtig sind.
Die einzelnen agilen und klassischen Ansätze müssen zunächst einmal zum Projekt-Scope passen. Größe, Abhängigkeiten und Kommunikationswege sollten trennscharf abbildbar sein. Speziell die großen Strategieprojekte, wie sie Banken derzeit vorhaben, erfordern zudem einen Blick auf das Gesamtprojekt sowie klare Verantwortlichkeiten und Berichtswege.
Darüber hinaus sollten Programm- und Projektmanager abklären, in welchem Projektumfeld sie sich bewegen. Gibt es eine Vorliebe in den Teams für eine bestimmte Methode, sollte dies in die Bewertung einfließen. Wenn SAFe oder ein anderer Ansatz bereits etabliert sind und es gute Erfahrungen gibt, ist das ein Pluspunkt für dieses Framework.
Der Zuschnitt der Projektmanagementmethode hängt zudem von der Unternehmens- und Projektkultur in der Bank ab. Das Skalierungs-Framework, ob in Reinform oder als Hybrid, muss mit internen Verfahren und Richtlinien zur Projektabwicklung vereinbar sein, beispielsweise mit Test- und Abnahmeprozessen. Pluspunkte haben zudem Methoden, wenn sie mit den intern genutzten Planungstools und Testwerkzeugen abgebildet werden können. Und: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten eine Affinität für die Methode besitzen.
Letztendlich geht es somit auch darum, eine passende Methode für das Projektteam zu finden. Mit Projektteam sind alle Beteiligten gemeint. Die Methode muss zur Zahl der Teilnehmer passen, unter Umständen muss die Methode auf mehrere hundert Personen skalierbar sein.”
Eine häufige Anforderung ist, dass ein Framework Vernetzung und Synchronisation der Einheiten untereinander ohne Reibungsverluste unterstützt. Zudem sollte der Schulungsaufwand daraufhin untersucht werden, inwieweit Know-how zur Methode im Unternehmen vorhanden oder leicht aufzubauen ist.
Ein bisschen SAFe, ein wenig Nexus, ein Hauch von Spotify mit einer Prise Wasserfall
Mit dem „Audit“ besitzen Banken eine solide Basis, um ein Projekt vernünftig aufzugleisen. Aus den Einschätzungen zu den einzelnen Frameworks, ob rein agil, hybrid oder rein klassisch, können sich Projektmanager die Framework-Elemente heraussuchen, die am besten zur individuellen Situation passen.
In einem konkreten Digitalprojekt bei einer großen Bank ergab das Audit beispielsweise, klassische Elemente in das Skalierungs-Framework SAFe einzubetten. Heraus kam ein Ansatz, in dem es sowohl agile Rollen wie den Chief Product Owner (CPO), Chief Scrum Master/Release Train Engineer (RTE) und Enterprise Architect gab, als auch klassische Rollen wie den Testmanager sowie Qualitätsmanager und die Projektleitung.
Zwei Gründe gaben in diesem Fall den Ausschlag für den gewählten Projektzuschnitt:
- SAFe skaliert vertikal (hierarchisch) mit einer Umsetzungsebene mit „n“ Scrum-Teams und einer übergeordneten Steuerungsebene. Dieses Modell passte am besten zu den konkreten Projektanforderungen.
- SAFe bietet auf der Steuerungsebene eine Mittelfristplanung (Planung von Inkrementen), die sich sehr gut in die klassische Gesamtplanung und die kurzfristige Scrum-Team-Planung (Sprints) einbetten lässt.
Es hat sich in einigen Großprojekten bewährt, dass der inhaltliche Projektteil agil bearbeitet wird und in eine klassische Projektsteuerung von Zeit, Budget, Ressourcen und Risiken eingebettet ist. Die klassische Dreiteilung in Entscheidungsebene, Steuerungsebene und Umsetzungsebene bleibt somit erhalten.”
Die folgenden Punkte sind ein typisches Grundgerüst:
- Zeit, Budget, Ressourcen und Risiken steuern die alten Bekannten wie der Sponsor, Auftraggeber, Lenkungsausschuss, die Projektleitung und das Projektmanagement-Office.
- Die inhaltliche Bearbeitung übernehmen dann agile Teams, beispielsweise in Form von Sprints. Dazu zählen unter anderem Feature-Teams mit allen bekannten Scrum-Rollen wie Product Owner, Scrum Master etc.
- Die inhaltliche Verantwortung teilen sich die Umsetzungsebene (ein Product Owner verantwortet ein Teilprodukt) und die übergeordnete Steuerungsebene (Chief Product Owner verantwortet das Gesamtprodukt).
- Vertikal eingezogene Schnittstellen sorgen für eine regelmäßige inhaltliche und methodische Synchronisation zwischen der Umsetzungsebene und der Steuerungsebene.
- Die flankierende operative Projektsteuerung obliegt den klassischen Rollen, also dem Projektleiter oder je nach Komplexität dem Teilprojektleiter.
Jedes Projekt ist anders, deshalb wird es sich nicht verhindern lassen, dass Banken diese Bewertung bei Folgeprojekten wiederholen. Das methodische Vorgehen unterstützt allerdings als Template.”
Bestimmte Schritte verkürzen sich, und Banken kommen so schneller zu einem fundierten Ergebnis. Zudem sinken die Risiken eines Projektmisserfolgs, wenn die Methode zu den Menschen passt.Christian Steinweg, Sopra Steria
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