Bernd Wittkamp geht – das Interview zum Abschied nach 22 Jahren Starfinanz
Bernd Wittkamp geht – zum Jahresende: Exakt 22 Jahre war er Mr. Starfinanz (LinkediIn). Von den Anfängen 1999 – über die Digitalisierung, FinTechs bis zum Ökosystem. Wenige Tage vor Weihnachten konnten wir mit dem Banking-Macher nicht nur ein spannendes Resümee ziehen, sondern auch einen Blick in die Zukunft werfen.
Herr Wittkamp, wie sind Sie eigentlich zur Star Finanz gekommen, wie hat alles angefangen?
Ich war damals Marketing- und Vertriebsleiter bei einem Mitbewerber und wurde ganz klassisch auf einer Messe abgeworben. Daraufhin habe ich meine Heimat Köln verlassen und begann zum 1. Januar 1999 bei Star Finanz in Hamburg.Mit welchen Produkten ging es damals los?
Ziel war es zunächst, mit StarMoney die Marktführerschaft zu erreichen. Ab dem Jahr 2000 entwickelten wir dann das erste Mobile-Banking-Produkt und brachten es in den Markt. Zu den damaligen Zeiten war dies wegen der hohen Traffic-Kosten noch unglaublich teuer, doch schnell erreichten wir 100.000 Kunden.
Diese haben dann im Schnitt 150 bis 200 Euro gezahlt, um das Online-Banking zu nutzen. 2001 kam die Business-Linie dazu, die sich auch zügig sehr erfolgreich entwickelt hat.”
20 Jahre ist das nun her. Ist das Banking heute mit dem von damals überhaupt noch vergleichbar?
Das hängt von der Betrachtungsweise ab. Tatsächlich waren die sogenannten PC-Produkte wie StarMoney vom Funktionsumfang eigentlich bereits weit fortgeschritten. Das Internet-Banking hat später sehr lange gebraucht, um diese Funktionstiefe zu erreichen. Allerdings ist nicht alles vergleichbar, da sich viele Geschäftsmodelle stark weiterentwickelt haben.
Themen wie Kreditkartenumsätze, pushTAN-Verfahren oder die elektronische Signatur sind ja alles neue Convenience-Funktionen, die man sich anfangs kaum hat vorstellen können.”
Auch QR-Code-Reader oder das Abfotografieren von Rechnungen zu deren Begleichung kamen hinzu und flossen in diese Produkte ein.
Mit dem Erfolg der App-Stores und der rasanten Dynamik, die dank E-Commerce aufkam, wurde ein Zeitenwandel eingeläutet. Plötzlich hatten die Kunden viel mehr Optionen. Das erhöhte natürlich den Druck auf die Entwicklung bei allen Banken. Doch genau diese Herausforderung führte letztendlich zum großen Erfolg der Star Finanz, indem wir sowohl unter Berücksichtigung maximaler Sicherheit als auch mit einem hohen Convenience-Anspruch für die Kunden der Sparkassenorganisation Produkte anbieten konnten, die den Vergleich zu Dritten nicht scheuen mussten.
Die Star Finanz ist ja enorm gewachsen – aber reicht das für die Zukunft? Was muss als Nächstes kommen?
Als ich hier 1999 angefangen habe, gab es knapp 20 Mitarbeiter. Diese Zahl ist mittlerweile auf um die 300 Festangestellte gewachsen.”
In Spitzenzeiten, wenn wir viel zu tun haben, arbeiten sogar fast 400 Menschen für die Star Finanz. Dadurch, dass wir auch immer stärker mobile Applikationen und relevante Firmenkundenanwendungen entwickeln, gehe ich davon aus, dass der Weg der vergangenen Jahre mit neuen Inhalten und entsprechendem Wachstum weiter beschritten wird. Ende 2021 sollte sich das sicherlich auch in einer weiter erhöhten Mitarbeiterzahl zeigen. Für ein Unternehmen ohne Venture Capital, das aber einen großen Gesellschafter im Rücken hat, gilt es jedoch auch, im operativen Ergebnis weiterhin schwarze Zahlen zu schreiben. Das hat gerade hier in Hamburg auch etwas mit kaufmännischer Verantwortung zu tun. Und es hängen viele Arbeitsplätze dran.
In welche Richtung entwickelt sich das Banking der Zukunft?
Vor wenigen Jahren hätte ich hier noch ein heißes Rennen gegen die BigTechs erwartet. Doch gerade im deutschen Markt sehe ich, dass viele Kunden die Sicherheiten der Banken weiter bevorzugen.”
Doch natürlich muss die technische Entwicklung bei den Wettbewerbern extrem aufmerksam beobachtet werden und dieser etwas entgegengestellt werden. Das wird sicher eine Herausforderung für die kommenden fünf bis zehn Jahre. Mobile Applikationen werden dabei eine noch stärkere Rolle spielen, dieser Trend wird weitergehen. Auch das Thema Voice könnte ein großer Treiber sein, im Banking-Kontext ist das aber natürlich sensibel. Denn kaum jemand wird in öffentlichen Verkehrsmitteln seinen Sprachassistenten nach dem Kontostand fragen oder dort verbal eine Überweisung tätigen – es sei denn, diese Person ist extrem selbstverliebt.
Unterm Strich wird bei der Digitalisierung jedoch gerade durch die Corona-Krise noch mehr Frequenz im Bereich der Online-Finanzen entstehen. Dazu ist es weiterhin wichtig, die Kundenbedürfnisse schnell und vorab zu erkennen. Am besten gelingt dies mit intelligenten Service-Angeboten, die für den Kunden zunächst neu sind, aber für ihn schnell auch unentbehrlich werden. Solche Aha-Erlebnisse können dann sogar zum Wechsel des alten Anbieters führen beziehungsweise den Druck auf diesen erhöhen.
“Denn um erfolgreich zu sein, brauchen Sie glückliche Kunden.”
Was war Ihr größter persönlicher Erfolg bei der Star Finanz?
Wenn man das auf unsere Produkte und Lösungen herunterbrechen möchte, war das sicherlich das Denken, das Bereitstellen und das Weiterentwickeln der Sparkassen-App.
Als wir uns mit diesem Thema 2007 intensiv beschäftigt haben und uns alle quasi für verrückt erklärten, haben wir mit Zustimmung des Gesellschafters trotzdem einen erfolgreichen Launch gemacht.”
Nach einem Jahr hatten wir statt der erwarteten 350.000 sogar 850.000 Nutzer. Das war im Produktbereich ein ganz wesentlicher Meilenstein. Unabhängig davon zählt für mich vor allem auch der Aufbau des Unternehmens mit den daran beteiligten Menschen sehr viel. Denn es gibt tatsächlich nichts, was mich glücklicher macht, als nicht nur der Wegbereiter für einige Karrieren zu sein, sondern auch ein Team um mich herum zu wissen, von dem ich glaube, dass es auch nach meiner Verabschiedung dieses – ja, ich möchte es mein Lebenswerk nennen – weiter erfolgreich führen wird. Dass wir gemeinsam an diesem Punkt stehen, ist vielen Köpfen geschuldet, die daran auf vielfältige Art und Weise beteiligt waren. Dafür bin ich dankbar und stolz, das ist mein größter persönlicher Erfolg.
Verraten Sie uns auch Ihre größte Niederlage?
Ich habe das große Glück gehabt, auch im Gesellschafterumfeld, alle Dinge machen und ausprobieren zu dürfen, die ich für richtig gehalten habe. Hier wurden mir als Geschäftsführer viele Freiheiten eingeräumt. Ich möchte zwar nicht sagen, dass alles davon zum Erfolg geworden ist, doch eine schlimme Niederlage war aus meiner Sicht nicht dabei.
Was würden Sie Ihrem jüngeren Ich raten, nicht zu tun? Was konnten Sie nicht umsetzen? Und welche Entscheidung bereuen Sie am meisten?
Hier möchte ich gerne eine Lebensweisheit loswerden, die mit der persönlichen Entwicklung zu tun hat.
Als ich meine Karriere gestartet habe, war noch vieles entspannter. Man hatte zwar ein Telefon und war erreichbar, doch die Dynamik ist mittlerweile natürlich eine ganz andere.”
Daher rate ich jedem, auch unter hoher Belastung stets sein persönliches Gleichgewicht zu finden. Jeder sollte die Selbstreflektion haben, seine körperlichen und gesundheitlichen Grenzen zu kennen. Und darauf sollte man übrigens immer auch bei seinen Mitarbeitern achten.
Bei einigen Dienstleistungen habe ich mit dem Auftraggeber um ein höheres Budget gerungen, um die angestrebte Lösung in der Summe noch besser zu machen.
Manchmal hätte ich mir gewiss auch ein wenig mehr Mut zum Risiko gewünscht, doch am Ende des Tages haben wir dann doch alles umgesetzt, was wir machen wollten. Und das wird in Zukunft sicher nicht anders sein.”
Ich glaube nicht, dass es grundlegende Entscheidungen gab, von denen ich im Nachhinein sagen muss, dass ich sie gänzlich bereue. Sicher war nicht immer alles optimal, doch nie in der Konsequenz, dass ich in Sack und Asche gehen müsste.
Herr Wittkamp, diese Frage muss ich noch loswerden: Warum hat die Banking-App Yomo eigentlich – ihrer Meinung nach – nicht funktioniert?
Es ist einfach sehr schwer, in der durchaus heterogenen Landschaft unserer Kunden und Abnehmer ein einheitliches Bild für ein solches Produkt zu bekommen.”
Das hatte ich mir für Yomo ein Stück weit anders gewünscht, doch es hat nicht die breite Zustimmung gefunden, die dieses Produkt an der Stelle benötigt hätte. Es gibt gewiss viele Argumente für Yomo, doch ich kann auch die Argumente nachvollziehen, die dagegengesprochen haben.
Ich glaube aber, dass wir Yomo – zwar nicht mehr unter diesem Namen – anders wiederfinden werden. Sei es in den Funktionen oder in seiner Philosophie der Nutzerzentrierung.”
Insofern hat Yomo schon auch einiges erreicht, denn man hat sich in einen Diskurs begeben, was die Herangehensweise an Kundenbedürfnisse angeht. So wurde sicher auch der Nährboden dafür bereitet, mal darüber nachzudenken, was Kunden in den jeweiligen Altersgruppen eigentlich wirklich wollen. Insofern hat Yomo eine enorme Lernkurve gebracht.
Apropos Innovation: Ihr letztes großes Event war die Symbioticon. War das für Sie sehr emotional? Werden Sie trotzdem kommendes Jahr wieder dabei sein?
Ja, ich werde weiterhin dabei sein, denn ich habe von den Kollegen einen All-Access-Pass auf Lebenszeit geschenkt bekommen.”
Und ich muss sagen: die fünfte Symbioticon war ein herausragendes Event. Denn wer sich das Format anschauen oder sogar daran teilnehmen konnte, wird feststellen, dass es sich hierbei inzwischen um den größten Finanz-Hackathon Europas handelt. Es gab extrem viele gute Ergebnisse, von denen einige sicherlich realisiert werden. Tolle Menschen finden hier zusammen und entwickeln tolle Lösungen.
Diese grandiose Entwicklung der Symbioticon zu sehen, ist für mich natürlich auch emotional, gerade in Momenten, in denen man denkt, dass man nun zum Beispiel zum letzten Mal die Anmoderation macht. Doch Emotionen gehören zum Leben dazu. Ohne sie wäre das Leben arm und man selbst nicht so erfolgreich.”
Wenn Sie zum Abschied einen Wunsch frei hätten – was wünschen Sie sich von Ihren Kollegen?
Zum einen den Mut, Dinge zu tun.”
Dazu den Freigeist, diese Dinge auch an ihre Grenzen zu tragen und sie immer wieder in den Diskurs einzubringen. Und zum anderen, die DNA, die in diesem Unternehmen herrscht, zu erhalten und weiterzuentwickeln, so wie ich sie die vergangenen 22 Jahre auch gestalten und aufbauen durfte. Am liebsten wäre es mir, dass mich die Mitarbeiter gar nicht vermissen werden, da alles so gut und positiv läuft, wie es in der Vergangenheit gelaufen ist.
Im Idealfall wird man dann irgendwann sagen, es gibt nicht nur die fünf BigTechs, sondern auch ein sechstes – und das kommt aus Hamburg.”
Wie geht es für Sie jetzt weiter?
Die kommenden Wochen möchte ich nach 22 Jahren im 24/7-Einsatz erstmal etwas zur Ruhe kommen. Das wünsche ich mir für mich und für meine Familie. Ich werde daher versuchen, auch mal Freizeit zu genießen. Ob mir das gelingt, werde ich sehen. Danach werde ich überlegen und entscheiden, ob ich auch mal einen anderen Weg gehe.
Das kann bedeuten, dass ich mich vielleicht auch mal in ein FinTech einbringe.”
Denn diese könnten ja durchaus auch mal etwas von der Expertise eines Old-School-Menschen lernen. Doch da gibt es noch keine genauen Pläne. Zunächst einmal werde ich es also entspannt angehen lassen. Und ich habe gelernt, dass das Leben voller Überraschungen steckt.
Herr Wittkamp, vielen herzlichen Dank für das Gespräch und jetzt erst einmal viel Entspannung! Ich bin gespannt, bei welchem FinTech wir uns wieder sehen.aj
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