Ulrich Coenen – der neue Digital-Manager FiduciaGAD IT: “Ich will Begeisterung für Technologie verbreiten”
Ulrich Coenen war über fünf Jahre bei der Commerzbank tätig und dort zuletzt auch für das Digital Banking verantwortlich. Eigentlich sollte der Digitalisierungs-Manager erst zum 1. Oktober zur Fiducia & GAD IT (zum Beitrag) kommen – doch jetzt ging es ganz schnell: Seit fünf Tagen ist er im Amt und wird die Banking- und Digitalisierungs-Strategien verantworten. Wohin soll nun die Digital-Reise gehen, Herr Coenen?
Herr Coenen, was waren Ihre Hauptbeweggründe, jetzt den Schritt in die genossenschaftliche Finanzgruppe zu wagen?
Die Zeit in der Commerzbank war für mich als Branchenfremdem [ehem. Geschäftsleitung von E-Plus; Anm. d. Red] wahnsinnig spannend und lehrreich. Nach einem komplettem Berufsleben in börsennotierten Unternehmen hat mich aber die Chance gereizt, in einem langfristig orientierten Umfeld wie der genossenschaftlichen Gruppe an einer nachhaltigen Transformation mitzuarbeiten. Ich glaube fest daran, dass in der genossenschaftlichen Genetik ein Wertekern steckt, der gute Antworten auf die drängenden Fragen von Morgen geben kann; nicht nur, aber auch in Fragen einer menschen-zentrierten Digitalisierung. Zusammen mit der aus meiner Sicht wegweisenden neuen Strategie und dem begonnenen Wandel der Organisation habe ich tatsächlich ein Umfeld vorgefunden, in dem ich mich schon jetzt wahnsinnig wohlfühle.Sie werden bei der FIDUCIA & GAD (Website) die Verantwortung für alle Digitalisierungsthemen übernehmen. Wo liegen nach Ihrer Ansicht die größten Herausforderungen in den nächsten Jahren?
Ich beginne ja gerade erst, mir einen Überblick zu verschaffen. Mein erster Eindruck ist, dass viele Herausforderungen ganz ähnlich zu denen der Privatbanken und Sparkassen gelagert sind, d. h. Nutzung von Cloud-Technologie, machine learning und anderen aktuellen Werkzeugen für Effizienz und Geschwindigkeit, Ausbau nutzerzentrischer und agiler Methoden, Orchestrierung eines Omnikanal-Erlebnisses, Aufbau datengetriebener Prozesse und Geschäftsmodelle, Modularisierung und Entkopplung monolithischer IT-Architekturen usw.
Meine ganz persönliche Mission beschreibe ich ja immer so: Lasst uns Technologie endgültig aus dem oft geringgeschätzten Maschinenraum herausholen und an die Stelle bringen, wo sie heute hingehört; nämlich mitten ins Herz des Geschäftsmodells und der Interaktion mit unseren Kunden!”
Die genossenschaftliche Finanzgruppe hat im Jahre 2018 auf ihrer Mitgliederversammlung den Startschuss für eine Digitalisierungsoffensive gegeben. Mit Investitionen von ca. 500 Mio. Euro will man auf der Basis einer neuen Omnikanal-Vertriebsplattform Services, Beratungen und Produktabschlüsse auf allen Kanälen medienbruchfrei für die Kunden und Mitglieder bereitstellen.
Die Lösungen werden in großen Teilen im Umfeld der Fiducia & GAD-Landschaft umgesetzt. Wie bringen Sie sich in das bereits laufende Projekt ein, wie sehen Sie Ihre spezielle Rolle?
Nach den ersten Berührungspunkten mit unserem großen Projekt “KundenFokus” bin ich sehr begeistert! Hier entsteht eine moderne, modulare Plattform für den Kundendialog und echte Omnikanal-Erlebnisse. Dabei nutzt das Team einen zukunftsweisend skalierten agilen Entwicklungsansatz, der inzwischen zu einer ausgezeichneten Lieferfähigkeit gereift ist. Das ist aus meiner Sicht ein Meilenstein für die gesamte Gruppe, aber auch ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Transformation der Fiducia & GAD.
Ich freue mich darauf, zusammen mit dem Projektteam die nächsten Ausbaustufen zu planen und die Plattform zusammen mit unseren Geschwistern in der genossenschaftlichen Familie mit spannenden Inhalten für unsere Banken und Kunden zu füllen.
Mir ist es dabei ganz wichtig zu betonen, dass wir uns für einen modularen technologischen Ansatz entschieden haben, der zukünftig als offenes Ökosystem z.B. auch bankfremde Produkte und Services einbinden kann.”
Mit einem transparenten und datenschutzkonformen Zugang zu den Kunden unserer Banken lassen sich für diese zukünftig neue Erlösströme und Geschäftsmodelle schaffen, um dem Ertragsdruck im Kerngeschäft entgegenzuwirken.
Bestimmt braucht es in der Gruppe an manchen Stellen noch ein wenig Überzeugungsarbeit, dass wir mit dieser offenen Plattform für alle Beteiligten einen passenden Zugang zum Kunden und zum Berater schaffen werden, aber das sehe ich auf einem guten Weg.
Es gibt eine große Anzahl von Beteiligten an diesem Projekt. Neben dem BVR, der DZ BANK AG und ihren Töchtern – also den Verbundunternehmen – sind auch einige Volks- und Raiffeisenbanken direkt in das Projekt eingebunden. Wie planen Sie mit der sicher nicht einfachen unterschiedlichen und vielfältigen Einflussnahme auf das Projekt umzugehen?
Einflussnahme ist in meiner Weltsicht klar positiv besetzt :-) Und eine breite Beteiligung entspricht nicht nur der genossenschaftlichen Logik, sondern ist in der agilen Arbeitsweise ein grundlegendes Prinzip. Und agile Methoden bieten eine Menge Möglichkeiten, diese Beteiligung gut zu organisieren: Mit einem transparenten, am Kunden ausgerichteten Priorisierungprozess, mit kurzen Iterationen für mehr Fehlerkultur, mit transparenten Planungsprozessen, die alle Stakeholder intensiv einbinden. Passt für mich perfekt zusammen! Klar ist aber auch:
Wir betreten an vielen Stellen Neuland – für die Fiducia & GAD, aber auch für die Gruppe als Ganzes. Unser Ziel ist es dabei, die “neue” Fiducia GAD als verlässlichen Partner zu positionieren, der zwar den Überblick behält, aber Raum lässt für die Unterschiedlichkeit der einzelnen Stakeholder.”
Bei aller Verschiedenheit eint uns aber unser gemeinsame Mission, Mehrwert für Kunden und Mitglieder zu schaffen. Ich bin mir sicher, dass wir in diesem Bewusstsein gut gemeinsam vorankommen.
Herr Coenen, die Fiducia & GAD hat nach ihrem Zusammenschluss im Jahre 2015 eine Reihe von Mammutprojekten stemmen müssen. Neben notwendigen Konsolidierungsaufgaben und der Migration der VR-Banken der ehemaligen GAD-Mitgliedsbanken auf das einheitliche Anwendungsystem agree21 waren unter der Überschrift „Transformation“ Themen wie die kulturelle Zusammenführung der beiden früheren Unternehmen, die Modernisierung der Arbeitsprozesse sowie die Einführung flacherer Hierarchien zu bewerkstelligen. Wo steht aus Ihrer Einschätzung die Fiducia & GAD aktuell und wie beurteilen Sie als Quereinsteiger die Ergebnisse dieses Wandlungsprozesses?
Nach 5 Tagen wäre es vermessen, das schon ernsthaft beantworten zu wollen. Ich kann aber sagen, dass mir bisher eine große Welle aus Aufbruchstimmung und Neugier entgegengekommen ist. Mein Gefühl sagt mir, dass nach mehreren Jahren notwendiger Beschäftigung nach innen durch Fusion, Banken-Migrationen, regulatorischen Aufräumarbeiten und personellen Veränderungen nun viel Energie für Neues frei wird. Für mich ein fantastischer Zeitpunkt zu starten! Und den mutigen Weg in eine konsequent agile Organisation kann ich nur begrüßen. Bei allen Herausforderungen, die da sicher noch vor uns liegen: Ich glaube fest daran, dass dieses Modell perfekt zu den steigenden Herausforderungen eines modernen Tech-Unternehmens passt.
Der Vorstand der Fiducia & GAD hat in den vergangenen 5 Jahren aus unterschiedlichen Gründen eine starke personelle Veränderung erfahren. Ist mit Ihrem Einstieg jetzt der Vorstand komplett und gut aufgestellt für die zahlreichen Herausforderungen der Zukunft?
Ein bisschen Kontinuität tut nach wechselvollen Jahren sicher gut. Dazu werde ich meinen Teil beitragen. Mit der zunehmenden Breite der Themen und der Komplexität kann man sich möglicherweise auch noch zusätzliche Schultern vorstellen, aber dazu ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.”
Ihr Vorstandssprecher Martin Beyer hat im Mai verkündet, dass im Rahmen einer gravierenden Strategieänderung auch ein Umbau der IT-Plattform vorgenommen werde. Die Kooperation mit FinTechs und die Nutzung von Lösungen auch anderer IT-Dienstleister seien z. B. jetzt denkbar.
Gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierungsoffensive ist das eine bemerkenswerte Veränderung. Was können Sie sich konkret an möglichen Aufgabenteilungen mit anderen Playern vorstellen?
Nach meiner Erfahrung gibt es einige “sweetspots” für die Zusammenarbeit mit Partnern unterschiedlicher Größe:
Immer dort, wo der Kern der eigenen Wertschöpfung verlassen wird und gleichzeitig eine ausreichende Andock-Fähigkeit gegeben ist, machen Kooperationen viel Sinn.”
Konkret muss sich das noch zeigen, aber ich kann mir z. B. gut vorstellen, dass wir spezialisierte, finanz-nahe digitale Angebote für verschiedene Zielgruppen in unsere Plattform integrieren. Mit der Vision einer offenen Finanzplattform wollen wir außerdem dazu einladen, unsere Kern-Fähigkeiten im bewährten Bankverfahren, aber auch einer ultra-sicheren Infrastruktur im Gegenzug für interessierte Partner in unserem Ökosystem zur Verfügung stellen.
Herr Coenen, eine dezentral aufgestellte genossenschaftliche FinanzGruppe unterscheidet sich in einigen markanten Punkten von einer Konzernstruktur, wie Sie sie von der Commerzbank kennen. Wie haben Sie geplant, dieses für Sie doch sehr neue Umfeld und dessen Besonderheiten zu durchdringen und kennenzulernen?
Für die ersten Wochen steht erst mal ein großes Reiseprogramm auf der Agenda. Die schiere Anzahl der Stakeholder – sowohl unsere Eigentümer-Banken, sowie der BVR und die Verbundunternehmen – ist schon überwältigend. Ich werde gut zuhören und gleichzeitig meine Erfahrungen teilen. Mit gefällt die Idee, mit einer überzeugenden Vision unsere Banken und Partner zu begeistern und einen gemeinsamen Weg zu gestalten.
Ich wurde aber schon gewarnt, dass das manchmal auch hartes Brot sein kann ;-)”
Die Fiducia & GAD arbeitet schwerpunktmäßig von den Standorten Karlsruhe, München und Münster aus. Sie werden daher sicher sehr viel unterwegs sein, wo werden Sie und Ihre Familie zukünftig Ihre „homebase“ haben?
Einen persönlichen Rückzugsort werde ich voraussichtlich auch dauerhaft in meiner niederrheinischen Heimat haben. Für Mitarbeiter, Partner und Kunden in der gesamten Republik ist aber verständlicherweise bei aller Digitalisierung auch die persönliche Begegnung immer noch ein hoher Wert. Das geht mir übrigens genauso, weshalb ich viel Zeit dafür einplane.
In Münster habe ich mir zusätzlich eine Wohnung genommen, durfte aber auch schon unseren fantastischen neuen Campus in Karlsruhe in der Entstehung bewundern und werde auch die übrigen Standorte so oft wie möglich ansteuern.”
Zum Schluss die Frage, woran möchten Sie sich nach den ersten 100 Tagen messen lassen, was werden und sollen die ersten Punkte sein, die Ihre Handschrift tragen?
Ich finde es ein bisschen zu früh für vollmundige Versprechungen, aber an einem Thema möchte ich mich durchaus messen lassen:
Meine persönliche Begeisterung für Technologie als wunderbarem Werkzeugkasten für begeisternde Interaktionen mit Kunden werde ich nach Kräften verbreiten :-)”
Herr Coenen, wir wünschen Ihnen einen guten Start, viel Erfolg und danken für das Gespräch.aj
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