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STRATEGIE19. Juni 2024

Anwendungsfälle von GenAI in der Finanzindustrie

Schwerpunkt: Zukunftstechnologien
Experte für GenAI
Prof. Dr. Jürgen Weimann,  Professor für Digital Business Strategy, DBU in Berlin

Täglich berichtet das IT-Finanzmagazin über Zukunftstrends, neue Technologien und deren Einsatzmöglichkeiten. Doch anlässlich des 10. Geburtstags im Juni 20214 wollen wir es von der Branche noch genauer wissen: Welcher Trend sollte am meisten elektrisieren? Und welche Anwendungsfälle von GenAI sind in der Finanzindustrie sind denkbar?

Von Prof. Dr. Jürgen Weimann, Professor für Digital Business Strategy, DBU in Berlin

Über 100 Millionen Menschen weltweit nutzen bereits ChatGPT von Open-AI. Während einige Experten KI als revolutionäre Kraft feiern, betrachten andere sie als Hype. Welche Anwendungsfälle von GenAI sind in der Finanzindustrie denkbar?

Verschaffen wir uns zunächst ein gemeinsames Verständnis über die Begriffsdefinition von künstlicher Intelligenz: KI besitzt die Fähigkeit, Problemstellungen zu lösen und planerisch vorzugehen; dabei ist das Sprachverstehen wesentlich, das die Möglichkeit bietet, zu erklären. KI beinhaltet die Leistungsbestandteile Deep Learning, Maschinelles Lernen und Neuronale Netzwerke. Im Folgenden wird KI mit generativer KI (GenAI ) gleichgesetzt, da die meisten Anwendungsfälle aus dem Gebiet des kreativen Schaffens kommen.

GenAI wird zur strategischen Notwendigkeit

Die Nutzung von KI in der Finanzindustrie ist keine bloße technologische Erneuerung, vielmehr wird KI zur strategischen Notwendigkeit werden. Von automatisierten Kreditentscheidungen bis hin zur personalisierten Kundenberatung mittels Chatbots im Kundenservice – KI definiert die traditionellen Vorgehensweisen neu.

GenAI wird ein Erfolgsfaktor sein, den Fachkräftemangel und Herausforderungen aus der Verrentung der Generation Baby Boomer zu meistern.”

Auch wenn das Thema aktuell als absolute Neuheit in aller Munde scheint, so sind einige Elemente daraus für Menschen in der Finanzindustrie alles andere als neu. In manchen Bereichen werden bereits heute KI-Anwendungen eingesetzt; man denke nur an die Geldwäscheprävention durch die automatisierte Analyse von Zahlungsströmen.

Weitere Anwendungsfelder für künstliche Intelligenz (GenAI)

  • Risikomanagement: Identifizierung und Bewertung von Kreditrisiken durch Maschinelles Lernen. Durch die Analyse von großen Datenmengen können präzise Prognosen über das Zahlungsverhalten von Kunden abgeleitet werden.
  • Kundenservice: Bereits heute setzen zahlreiche Institute zur Entlastung des Kundenservices Chatbots ein. Während diese bis dato oft noch mühsam mit einzelnen Fragen und Antworten trainiert werden müssen, sind KI-gestützte Modelle in der Lage, auch komplexe Kundenanfragen – sogar mehrsprachig – zu lösen.
  • Betrugserkennung und -prävention: GenAI hilft, ungewöhnliche Muster und Anomalien in Transaktionsdaten zu erkennen. Durch fortlaufendes Lernen verbessern sich diese Systeme kontinuierlich und können so auch raffinierte Betrugsversuche erkennen.
  • Prozessautomatisierung: Mithilfe von Robotic Process Automation (RPA) können repetitive und zeitaufwändige Aufgaben automatisiert werden. Dies eröffnet vollkommen neue Möglichkeiten der Prozessgestaltung und ermöglicht es Mitarbeitern, sich auf wertschöpfendere Aktivitäten zu konzentrieren.

Die Branche steht dabei noch am Anfang einer umfassenden Transformation. Viele Institute testen bereits heute KI-basierte Lösungen und arbeiten an der Skalierung erfolgreicher Pilotprojekte. Der Reife- und Nutzungsgrad variiert zwischen den einzelnen Institutsgruppen und den einzelnen Instituten jedoch stark. Wagt man einen Blick in die Zukunft, so lassen sich folgende Kernthesen ableiten:

Kurzfristig wird KI im Bereich der Kundeninteraktion und der Betrugserkennung eine Rolle spielen. Langfristig wird KI Bestandteil in allen Facetten des Bankings sein.”

Menschen, die bereits etwa mit ChatGPT Erfahrungen gesammelt haben, wundern sich schon heute, wie „dumm“ in diesem Kontext die meisten Chatbots von Dienstleistern sind. In den nächsten Jahren wird sich diese Kundenerwartung durch die stärkere Verbreitung von KI in der Gesellschaft weiter erhöhen.

Auch in der Betrugserkennung werden GenAI-Systeme schneller darin werden, Betrugsmuster zu erkennen, und so aktive Schadensprävention ermöglichen.”

Langfristig wird die autonome Finanzberatung zum essenziellen Bestandteil des Bankerlebnisses werden. Auf Basis einer tiefen Analyse der finanziellen Verhältnisse und Ziele des Kunden wird KI fundierte Finanzberatungen zu Anlagen und Krediten geben. Gleichzeitig werden die Algorithmen in der Lage sein, Marktveränderungen in Echtzeit zu analysieren und entsprechend zu reagieren. So ergeben sich vollkommen neue Möglichkeiten im Vermögens- und Portfoliomanagement.

Natürlich bestehen neben den Chancen auch noch einige Herausforderungen. Diese lassen sich in technische, regulatorische und ethische Aspekte unterteilen.

Technische Herausforderungen

  • Datenqualität: GenAI-Modelle sind von der Qualität der zugrundeliegenden Daten und deren Verfügbarkeit abhängig. Ungenaue oder unvollständige Daten können zu unvollständigen und fehlerhaften Prognosen führen. Daher müssen die Institute heute in robuste Datenmanagement-Systeme investieren und sich mit der Erhöhung der Datenqualität beschäftigen.
  • Infrastruktur: In einigen Instituten arbeiten vor allem die Kernbanksysteme noch mit veralteten Programmen, die nicht für eine nahtlose Integration von KI-Technologien ausgelegt sind. Hier ist eine schrittweise Modernisierung notwendig.
Autor Prof. Dr. Jürgen Weimann

ist Managementberater für Zukunftsfähigkeit (Website) und Professor für Digital Business Strategy an der DBU in Berlin. Mit seinem Credo „Jeder Einzelne ist von Bedeutung“ beschäftigt er sich seit über 25 Jahren mit der Frage: „Wie entsteht Begeisterung in Organisationen?“ Nach Stationen bei der HypoVereinsbank, Stadtsparkasse München, Sparkassen Consulting und zeb begleitet er heute vor allem Unternehmen aus der Finanzbranche bei der Transformation ihres Geschäftsmodells.

Regulatorische Herausforderungen

  • Datenschutz: Der Einsatz von KI im Banking muss im Einklang mit den aktuell gültigen Datenschutzbestimmungen stehen, insbesondere der GDPR in Europa.
  • Transparenz: Regulatoren fordern, dass KI-Entscheidungen nachvollziehbar und transparent sein müssen. Hier ist auf die Entwicklung der Explainable AI (XAI) zu setzen.
  • Rechtssicherheit: Wer haftet für eine Beratung, die von einer KI durchgeführt wurde? Auch hier ergeben sich noch einige rechtliche Unsicherheiten, insbesondere in der Beraterhaftung, die vor dem Einsatz zu klären sind.

Ethische Herausforderungen

  • Bias: Die Nutzung von KI-Systemen kann zu unbewussten Vorurteilen führen, die in den Trainingsdaten begründet sind. So könnte es zu negativen Kreditentscheidungen für bestimmte Branchen oder Personas und somit zu einer strukturierten Benachteiligung kommen. Eine Diversifizierung der Trainingsdaten und der bewusste Einsatz von Algorithmen zur Erkennung von Bias ist hier notwendig.
  • Vertrauen: Kunden werden unterschiedlich auf den Einsatz von KI-gestützten Lösungen reagieren. Hier ist eine transparente Kommunikation über den Einsatz von KI und deren Vorteile notwendig.

Die Ausführungen haben gezeigt, dass GenAI im Banking zukünftig eine entscheidende Rolle spielen wird, vorab aber noch einige Fragen beantwortet werden müssen. Zusätzlich spielen organisatorische Herausforderungen eine große Rolle. Aktuell sind nur wenige Menschen in der Lage, mit KI zusammenzuarbeiten und zu überlegen, an welchen Stellen eine Einbindung hilfreich wäre.

Die zukünftige Entwicklung wird daher stark davon abhängen, wie gut es den Instituten gelingt, die technologischen Möglichkeiten in Einklang mit den Bedürfnissen der Mitarbeitenden und Kunden zu bringen.

Bereits heute sind Investitionen in Qualifizierungsprogramme notwendig, um die Mitarbeiter an die Möglichkeiten und Anwendungsfälle von KI heranzuführen.”

Die Basis hierfür bildet eine Unternehmenskultur, die auf Innovation und lebenslanges Lernen ausgerichtet ist. Institute, die diese Herausforderungen meistern, werden einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil erzielen.Prof. Jürgen Weimann/dk

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